Zu Unrecht verurteilt: Wie kommt es zum Wiederaufnahmeverfahren?

Der Albtraum eines jeden Menschen ist es wohl, seine Freiheit zu verlieren. Verschlimmert wird dies noch einmal, wenn dies zu Unrecht geschieht. Trotz aller Vorsicht und gesetzlicher Absicherungen ist es auch in Ländern wie Österreich oder Deutschland möglich, dass Menschen unschuldig im Gefängnis sitzen oder „grundlos“ horrende Zahlungen leisten müssen.

Um sich dagegen zu wehren, muss die Hilfe eines Anwalts in Anspruch genommen werden. Die meisten Anwälte sind spezialisiert. Wer also glaubt, dass er zu Unrecht verurteilt wurde, der sollte Rechtsbeistand mit Spezialisierung für Wiederaufnahmeverfahren suchen. Doch bis zu einem möglichen Freispruch oder einer reduzierten Strafe ist es ein langer, steiniger Weg.

Berufung und Revision sind typische Mittel

Bevor es um den konkreten Verlauf einer Wiederaufnahme geht, muss erst einmal klar sein, dass es sich um ein seltenes Mittel handelt. Kommt es zu einem Gerichtsverfahren mit Schuldspruch, wird im Normalfall zunächst Berufung eingelegt und gegebenenfalls eine Revision beantragt. Hier müssen strenge Fristen eingehalten werden.

Berufung und Revision sind nur durch einen Rechtsanwalt beantragbar. Erst nach der Berufungsfrist von einem Monat ist ein Urteil überhaupt rechtskräftig. Gilt ein Urteil als rechtskräftig, ist es besonders geschützt. Denn das Vertrauen in die gerichtlichen Instanzen soll gestärkt werden – was rechtskräftig ist, soll rechtskräftig bleiben. Nur in seltenen Fällen kann ein rechtskräftiges Urteil angefochten werden.

Wiederaufnahmeverfahren haben scharfe Bedingungen

Die Wiederaufnahme eines Verfahrens soll kein Standard werden. Dieses Rechtsmittel ist wirklich dazu da, Menschen vor hochgradig unrechtmäßigen Verurteilungen zu schützen. Damit das gegeben ist, muss sich aber deutlich abzeichnen, dass bei der Wiederaufnahme ein neues Urteil zustande kommen würde.

Daher prüft ein seriöser Anwalt immer genau, wie die Chancen auf Wiederaufnahme stehen. Unter anderem kann eine erfolgreiche Wiederaufnahme erreicht werden, wenn es signifikante neue Beweise gibt, ein Zeuge nachweislich unter Eid die Unwahrheit gesagt hat oder der zuständige Richter eine strafbare Verletzung seines Amtseids begangen hat. Diese und weitere Begründungen müssen handfest sein, damit eine Chance auf Wiederaufnahme besteht. Deshalb ist versierter Rechtsbeistand auch so wichtig.

Ein neues Verfahren beginnt

Die gute Nachricht für zu Unrecht verurteilte Menschen ist, dass sich das Recht auf ein Wiederaufnahmeverfahren nicht verwirken lässt. Anders als bei Berufung und Revision gibt es keine Fristen. Die weniger gute Nachricht ist, dass nicht jeder Antrag auf Wiederaufnahme Erfolg hat.

Der Antrag wird im Adhäsionsverfahren geprüft. Zunächst muss der Antrag zulässig sein – dafür muss das Urteil rechtskräftig sein, ein Wiederaufnahmegrund muss vorliegen und der Antrag muss von einer antragsberechtigten Person gestellt worden sein. Ist der Antrag zulässig, wird der Grund geprüft. Ist es hinreichend wahrscheinlich, dass der Grund für die Wiederaufnahme zu einem anderen Urteil führen würde, ist ein erstes Etappenziel erreicht.

Die Folgen eines Wiederaufnahmeverfahrens

Wird dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens stattgegeben, geht es entweder ganz schnell – oder es wird erneut sehr lange dauern. Bei starker Beweislast kann das Gericht in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft einen sofortigen Freispruch verfügen. Das ist der Idealfall für jemanden, der zu Unrecht verurteilt wurde. Dafür müssen aber signifikante neue Beweise vorliegen.

Die andere Option ist, dass das Hauptverfahren vollständig neu gestartet wird. Das wird natürlich Zeit und Nerven kosten. Aber es gibt ab diesem Punkt nur noch etwas für den Verurteilten zu gewinnen, denn es gilt reformatio in peius. Das bedeutet, eine Schlechterstellung ist nach dem Verfahren nicht möglich. Entweder wird das Urteil also bestätigt oder die Situation des Verurteilten verbessert sich – durch eine reduzierte Strafe oder einen Freispruch.