„Christine Lavant – Wie pünktlich die Verzweiflung ist“: Neue ORF-Kulturdokumentation zum 50. Todestag der Dichterin präsentiert

Gerti Drassl in der Rolle der außergewöhnlichen Literatin – TV-Premiere am 5. Juni im „kulturMontag“ in ORF 2

Wien (OTS) – Die Kärntner Dichterin Christine Lavant zählt zu den bedeutendsten und zugleich auch unbekanntesten großen Namen der deutschsprachigen Literatur des 20. Jahrhunderts. Ihr einzigartiges, gesellschaftskritisches Schaffen ist Ausdruck des ständigen Ringens um die Behauptung in der Welt. So zeugen Lavants unverwechselbare poetisch kraftvolle Lyrik ebenso wie ihre herausragende Prosa von der existenziellen Zerrissenheit einer vom Schicksal geprüften Frau. Anlässlich ihres 50. Todestags widmet der ORF der außergewöhnlichen Literatin und ihrem Werk eine neue Kulturdokumentation: Diese wurde auf Einladung von ORF-TV-Kulturchef Martin Traxl, Dr. Hans Gasser, Präsident der Internationalen Christine Lavant Gesellschaft, und Filmproduzent Klaus Graf gestern, am Mittwoch, dem 31. Mai 2023, in Wien präsentiert. Das berührende Filmporträt „Christine Lavant – Wie pünktlich die Verzweiflung ist“ von Regisseurin Danielle Proskar zeichnet das tragische Leben der gebürtigen Kärntnerin anhand zahlreicher persönlicher Briefe und Gedichte sowie Interviews mit Expertinnen und Experten ebenso wie mit Personen aus dem familiären Umfeld Lavants nach. Charakterschauspielerin Gerti Drassl verleiht ihr eindrucksvoll Gestalt und Stimme. Die Dokumentation feiert im „kulturMontag“ am 5. Juni, um 23.15 Uhr in ORF 2, TV-Premiere. ORF III bringt ein Dacapo des Films am Sonntag, dem 11. Juni, um 9.05 Uhr.

ORF-TV-Kulturchef Martin Traxl: „Christine Lavant ist eine der unterschätztesten Persönlichkeiten der österreichischen Literaturgeschichte: eine Frau, die aus einem unglaublich armen und entbehrungsreichen Leben einen Reichtum an Fantasie geschöpft hat. Sie hat eine ganz eigene Sprache und Gedankenwelt entwickelt, die bis heute fasziniert und bis zu einem gewissen Grad mysteriös ist. Es ist höchste Zeit, dass wir ihr ein Denkmal setzen und mit unserem Film an diese herausragende Frau erinnern, die vor allem in ihrer Lyrik ebenso wie in ihrer Prosa und ihren Briefen eine Welt erstehen lässt, die uns ganz neue Antworten auf das Leben gibt.“

Auch Ö1 erinnert an die österreichische Dichterin und sendet bereits am Samstag, dem 3. Juni, im „Ö1 Hörspiel“ (14.00 Uhr) die Produktion „Das Wechselbälgchen“ (ORF 2015). Mit großer Eindringlichkeit, direkt, rau und zeitlos beschreibt Christine Lavant in dieser erst 1998 posthum veröffentlichten gleichnamigen Erzählung die Ausgrenzung einer Schwachen aus der Dorfgemeinschaft. Stoff und Motive schöpft sie aus der Volksüberlieferung, der (Kärntner) Zeit- und Sozialgeschichte und aus ihrer Biografie. Peter Rosmaniths Inszenierung mit Sophie Rois als Erzählerin zeigt die Universalität des Themas. In den Ö1-„Gedanken für den Tag“ (5.–7., 9. und 10. Juni, 6.56 Uhr) beleuchtet Literaturwissenschafter Klaus Amann, Herausgeber der 2015 zum 100. Geburtstag erschienenen vierbändigen Lavant-Werkausgabe, „das gänzlich unverhoffte, unerklärliche Literaturwunder aus der Provinz“.

Mehr zum Inhalt der Dokumentation:

Hört man den Namen Christine Lavant, hat man das Bild einer hageren, bäuerlich gekleideten Frau mit Kopftuch vor Augen. Eine Art dichtendes Kräuterweiblein. An diesem Image ist die Kärntnerin nicht ganz schuldlos. Sie war pfiffig genug zu ahnen, dass gute Vermarktung eine Marke braucht. Dass sie lange als katholische Lyrikerin (miss)verstanden wurde, verstellte den Blick auf eine herausragende Dichterin, über die es im Buchhandel noch keine einzige Biografie gibt.

Als Christine Thonhauser wird sie am 4. Juli 1915 als neuntes Kind eines Bergmanns und einer Flickenschneiderin in St. Stefan im Lavanttal – nach dem sie sich später als Künstlerin benennt – in ärmste Verhältnisse geboren. Von Anbeginn ist sie krank und hat dadurch keine gewöhnliche Kindheit. Mit 24 heiratet sie den 60-jährigen armen, erfolglosen Landschaftsmaler Josef Habernig. Wegen ihrer schlechten Gesundheit kann sie nur wenige Jahre die Schule besuchen und liest und schreibt gerade deshalb wohl „schon immer“. Sie veröffentlicht mehr als ein Dutzend Erzählungen und etwa 1.000 Gedichte.
Kurz ist der Dichterin das Glück gewogen: Mit dem Maler Werner Berg erlebt sie die große Liebe ihres Lebens, die jedoch keine Zukunft hat – beide sind verheiratet. Die Intensität der Gefühle bringt eine kraftvolle Lyrik hervor: Für ihre Gedichtbände erhält Christine Lavant etliche Preise. Drei Jahre nach der Verleihung des Großen Österreichischen Staatspreises für Literatur stirbt sie mit nur 58 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls.

„Das wahrhaft Erlebte oder vielmehr die stückweisen Spiegelbilder davon finden sich mehr oder weniger verzaubert-verdichtet in meinen Büchern.“ Wer sich mit dem Lavant’schen Werk befasst, ahnt, was dieser Frau zugemutet wurde. Wer weiter liest, spürt schnell, wie radikal und unversöhnt sie gegen das alles angedichtet hat, und wie sehr sie dafür die deutsche Sprache und die Regeln der Dichtkunst erweitern musste.

Der Film von Regisseurin Danielle Proskar sucht das Wesen, das sich hinter dem Pseudonym Christine Lavant verbirgt. Lavants Lyrik ist gut verschlüsselt, doch in Hunderten Briefen an berühmte Zeitgenossen und Freunde schreibt sie frei heraus über ihre Gefühle, Ängste, Hoffnungen, und selten über ihr Glück. So entsteht ein höchst persönliches, vielgestaltiges Selbstporträt einer Künstlerin, die da behauptet: „Kunst wie meine, ist nur verstümmeltes Leben.“

„Christine Lavant – Wie pünktlich die Verzweiflung ist“ ist eine Koproduktion von Graf Film und ORF, gefördert von Fernsehfonds Austria, Carinthia Film Commission / Land Kärnten Kultur und VAM.

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