Justizausschuss gibt grünes Licht für Flexible Kapitalgesellschaften

Neue Rechtsform soll Bedürfnissen von Startups Rechnung tragen, Wirtschaftsdelikte können künftig zu temporärer “Disqualifikation” führen

Um den spezifischen Bedürfnissen von Startups und Gründerinnen Rechnung zu tragen, wird es künftig mit der “Flexiblen Kapitalgesellschaft” (FlexKapG) eine neue Rechtsform für Unternehmen geben. Der Justizausschuss des Nationalrats hat heute mit den Stimmen der Koalitionsparteien grünes Licht für einen entsprechenden Gesetzesvorschlag der Regierung gegeben. Außerdem wird das Mindeststammkapital für GmbHs mit dem Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz 2023 von 35.000 € auf 10.000 € abgesenkt.

Während sich ÖVP und Grüne im Ausschuss erfreut darüber äußerten, dass das Gesetz nach langen Verhandlungen endlich auf “den Boden gebracht” werden konnte, kam von der Opposition Kritik. So zeigten sich sowohl SPÖ-Abgeordnete Selma Yildirim als auch FPÖ-Abgeordneter Harald Stefan bezüglich der künftigen Möglichkeit von Anteilsübertragungen ohne Einbindung von Notaren skeptisch. Yildirim befürchtet, dass durch die vorgesehene “Deregulierung” Qualität und Transparenz leiden werden. Auch dass im Flexible-Kapitalgesellschafts-Gesetz bei natürlichen Personen nur weibliche Formen verwendet werden, sieht Stefan kritisch.

In eine völlig andere Stoßrichtung geht die Kritik der NEOS. Nach Meinung von Nikolaus Scherak wird das Ziel des Gesetzes, jungen Unternehmen die Gründung zu erleichtern, verfehlt. Das Ergebnis sei “spärlich”, meinte er. Lediglich die Übertragung von Anteilen werde vereinfacht. Als positiv wertete Scherak zwar die Herabsetzung des Mindeststammkapitals für GmbHs, aber auch hier hätte man seiner Ansicht nach weitergehen können.

Justizministerin Alma Zadić hielt fest, dass bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs so viele Stakeholder-Gespräche geführt worden seien wie bei kaum einem anderen Gesetz. Letztlich habe man aber einen guten Weg gefunden, ist die überzeugt. So würden Unternehmensgründungen auch durch die Absenkung des Mindeststammkapitals vereinfacht. Gründungsprivilegierte GmbHs bräuchten nun nicht mehr nach zehn Jahren ihr Kapital zu erhöhen. Der steuerliche Teil der Novelle, der insbesondere die Mitarbeiterinnenbeteiligung betrifft, wird laut Zadić im Finanzausschuss beraten.

Ebenfalls den Justizausschuss passiert hat das Gesellschaftsrechtliche Digitalisierungsgesetz 2023. Geschäftsführer:innen und Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften oder Genossenschaften werden demnach künftig vorübergehend von diesen Tätigkeiten ausgeschlossen, wenn sie wegen eines Wirtschaftsdelikts wie Untreue oder Betrug zu mehr als sechs Monate Freiheitsstrafe verurteilt wurden. Diese “Disqualifikation” soll drei Jahre gelten. Ein Entschließungsantrag der NEOS, der auf bürokratische Erleichterungen bei der Gründung von GmbHs abzielt, fand hingegen keine Mehrheit.

MINDESTSTAMMKAPITAL VON GMBHS WIRD AUF 10.000 € GESENKT

Angelehnt ist die Flexible Kapitalgesellschaft, die sich auch Flexible Company (FlexCo) nennen wird dürfen, an die Rechtsform einer GmbH. Allerdings wurden in die gesetzlichen Grundlagen (2320 d.B.) auch Bestimmungen aus dem Aktiengesetz – in adaptierter Form – übernommen. So kann der Gesellschaftsvertrag etwa auch die Ausgabe von “Unternehmenswert-Anteilen” vorsehen. Damit wird die Möglichkeit geschaffen, Mitarbeiterinnen zu attraktiven Bedingungen und mit nur geringen Formalerfordernissen am erwarteten Unternehmenserfolg zu beteiligen. Stimmrechte sind damit allerdings keine verbunden. Auch darf das Ausmaß derartiger Anteile 24,99 % des Stammkapitals nicht überschreiten.

Als Mindeststammeinlage für einzelne Gesellschafterinnen schlägt die Regierung 1 Euro vor. Bei Kapitalerhöhungen wird es zu bürokratischen Vereinfachungen kommen. Ein Aufsichtsrat ist dann zu bestellen, wenn die Gesellschaft zumindest eine mittelgroße Kapitalgesellschaft im Sinne des Unternehmensgesetzbuchs ist. Weitere gesetzliche Regelungen betreffen u.a. die uneinheitliche Ausübung des Stimmrechts von Gesellschafterinnen mit mehreren Stimmen, den Erwerb, die Veräußerung und die Einziehung von Geschäftsanteilen sowie die Umwandlung einer FlexKapG in eine GmbH oder einer Aktiengesellschaft und umgekehrt.

Flexiblen Kapitalgesellschaften wird darüber hinaus die generelle Absenkung des Mindeststammkapitals für GmbHs von 35.000 € auf 10.000 € zugutekommen. Bisher hatten laut GmbH-Gesetz nur Firmengründer:innen ein entsprechendes – und auf zehn Jahre befristetes –  Gründungsprivileg. Österreich wird sich damit bei den Kapitalanforderungen für Gesellschaften mit beschränkter Haftung künftig im europäischen Vergleich im mittleren Bereich bewegen, hält das Justizministerium fest. Auch nachträgliche Kapitalherabsetzungen sind möglich. Für die rund 32.000 bestehenden gründungsprivilegierten Gesellschaften sind Übergangsbestimmungen vorgesehen.

Gemäß den finanziellen Erläuterungen entgehen dem Staat durch die Herabsetzung des Mindeststammkapitals für GmbHs (und FlexKapGs) in den nächsten beiden Jahren voraussichtlich Steuereinnahmen in der Höhe von jeweils rund 60 Mio. €, unter anderem weil die Mindest-Körperschaftsteuer als ein bestimmter Prozentsatz des gesetzlichen Mindeststammkapitals definiert ist. Davon entfallen 40 Mio. € auf den Bund. Begleitend zum Flexible-Kapitalgesellschafts-Gesetz sind außerdem Änderungen in weiteren Gesetzen wie dem Firmenbuchgesetz und dem Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz vorgesehen.

Das Flexible-Kapitalgesellschafts-Gesetz ist im Übrigen bisher das einzige Gesetz, das bei natürlichen Personen nur weibliche Formen verwendet. Ausdrücklich wird aber angemerkt, dass sich Bezeichnungen wie Gesellschafterinnen und Mitarbeiterinnen auf alle Geschlechter in gleicher Weise beziehen.

LOB VON ÖVP UND GRÜNEN

Lob für das Gesetz äußerten Elisabeth Götze (Grüne) und Kurt Egger (ÖVP). Damit werde der Zugang der Startup-Szene zu Unternehmensgründungen vereinfacht, sagte Egger. Mit der Mitarbeiterbeteiligung trage man zudem dem Umstand Rechnung, dass Startups oft nicht in der Lage seien, hohe Gehälter zu zahlen. Zur Kritik von SPÖ und FPÖ merkte er an, er könne sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Bestimmungen zur Anteilsübertragung dazu genutzt werden, um verschachtelte Firmenkonstrukte zu schaffen. Götze meinte, es sei ein großer Erfolg, dass es gelungen sei, das Gesetz “auf den Boden zu bringen”.

SPÖ UND FPÖ KRITISIEREN BESTIMMUNGEN FÜR ANTEILSÜBERTRAGUNG

Die SPÖ lehnte das Gesetz hingegen ab. Die Intention sei zwar “durchaus integer”, sagte Selma Yildirim, sie hat aber die Sorge, dass Qualität und Transparenz durch die vorgesehene “Deregulierung” leiden werden. Vor allem die Möglichkeit der Anteilsübertragung ohne Einbindung von Notaren sieht sie im Hinblick auf mögliche intransparente Firmengeflechte kritisch.

Auch Harald Stefan (FPÖ) kann diesem Teil des Gesetzes wenig abgewinnen. Man schaffe “ohne Not künstlich eine neue Urkunde”, bemängelte er. Vor allem im Hinblick darauf, dass künftig auch ausländische Anwält:innen tätig werden könnten, sieht er die Regelung problematisch. Die Gründung einer FlexKapG werde außerdem nicht einfacher sein als die Gründung einer GmbH, machte Stefan geltend. Auch eine Mitarbeiterbeteiligung sei immer schon – etwa in Form von Genussrechten – möglich gewesen. Hier seien vorrangig steuerrechtliche Fragen wesentlich. Seine Kritik an den weiblichen Bezeichnungen im Gesetz begründete Stefan damit, dass Gesetze sich nicht für “gesellschaftspolitische Experimente” eigneten und zeitlos formuliert sein sollten.

NEOS GEHT GESETZ NICHT WEIT GENUG

Auch NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak kritisierte den Gesetzentwurf, allerdings von anderer Seite. Das Ergebnis sei “spärlich”, es würde lediglich ein “miniminikleiner Schritt” gesetzt. Das Ziel, jungen Unternehmer:innen die Gründung zu erleichtern, werde klar verfehlt. Nach wie vor müsse man zum einen Notar gehen, sich von diesem den eigenen Gesellschaftervertrag vorlegen lassen und dafür zahlen, erklärte er. Lediglich die Übertragung von Anteilen werde erleichtert. Als positiven Schritt sieht Scherak die Herabsetzung des Mindeststammkapitals für GmbHs, dieses sei im Vergleich zu anderen Ländern aber immer noch hoch.

Ein von den NEOS vorgelegter Entschließungsantrag (3195/A(E)) wurde im Ausschuss allerdings von keiner anderen Fraktion unterstützt und blieb damit in der Minderheit. Er zielte unter anderem darauf ab, Unternehmensgründungen ohne Notariatsaktspflicht und in englischer Sprache zu ermöglichen. Zudem sprechen sich die NEOS für einfache Möglichkeiten der Mitarbeiter:innenbeteiligung aus.

“DISQUALIFIKATION” VERURTEILTER GESCHÄFTSFÜHRER:INNEN UND VORSTANDSMITGLIEDER

Mit dem “Gesellschaftsrechtlichen Digitalisierungsgesetz 2023” (2228 d.B.), das vom Justizausschuss mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und NEOS an das Plenum weitergeleitet wurde, werden EU-Vorgaben umgesetzt. Geschäftsführer:innen und Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften oder Genossenschaften, die wegen bestimmter wirtschaftsnaher Delikte zu mehr als sechs Monate Freiheitsstrafe verurteilt wurden, sollen demnach eine gewisse Zeit lang von diesen Tätigkeiten ausgeschlossen werden. Dadurch soll betrügerisches oder anderweitig missbräuchliches Verhalten verhindert werden.

Die betroffenen Delikte reichen dabei etwa von Betrug über Untreue und betrügerisches Anmelden zur Sozialversicherung bis hin zu Geldwäsche und Abgabenbetrug. Die solcherart “disqualifizierten” Personen dürfen den Erläuterungen zufolge nicht Geschäftsführer:in werden oder bleiben und auch nicht im Firmenbuch eingetragen werden oder bleiben. Drei Jahre nach Rechtskraft der Verurteilung erlischt die Disqualifikation.

Österreich ist zudem verpflichtet, ein System zum grenzüberschreitenden Informationsaustausch über disqualifizierte Geschäftsführer:innen einzurichten. Dabei sind auch zum Ausschluss führende Verurteilungen zu berücksichtigen, die in anderen Mitgliedstaaten erfolgt sind. Die Überprüfung, ob den betreffenden Personen die Ausübung dieser Funktion untersagt ist, soll durch die Firmenbuchgerichte erfolgen. Die Zuständigkeit für den grenzüberschreitenden Informationsaustausch wird dem Handelsgericht Wien übertragen. Insgesamt sollen für die Disqualifikation jene strafgerichtlichen Verurteilungen maßgeblich sein, deren Rechtskraft nach dem 31. Dezember 2023 eintritt.

ZUSTIMMUNG VON ÖVP, GRÜNEN UND NEOS

Neben Johanna Jachs (ÖVP) und Elisabeth Götze (Grüne) begrüßte auch NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak das Gesetzesvorhaben. Die Umsetzung sei deutlich besser gelöst als in Deutschland, sagte er, wobei er hofft, dass die österreichische Regelung auch EU-konform ist. Laut Götze können unter anderem organisierte Schwarzarbeit und Geldwäsche die im Entwurf normierten Konsequenzen auslösen.

FPÖ HÄLT GESETZ FÜR PRAXISFREMD

Als “völlig praxisfremd” wertete demgegenüber Christian Ragger (FPÖ)  den Gesetzentwurf. Seiner Meinung nach ist es unverhältnismäßig, Geschäftsführer:innen, die etwa Dienstgeberbeiträge nicht ordnungsgemäß abgeliefert hätten, für drei Jahre “ihrer Tätigkeit zu berauben”. Zumal es ohnehin schon zahlreiche Haftungstatbestände für Gesellschafter:innen gebe. Ragger befürchtet, dass sich bald niemand bereit erklären wird, die Funktion eines Geschäftsführers bzw. einer Geschäftsführerin zu übernehmen.

SPÖ BEZWEIFELT EU-KONFORMITÄT

SPÖ-Abgeordnete Muna Duzdar begründete die Ablehnung des Gesetzes durch ihre Fraktion mit Zweifeln an der EU-Konformität, wobei sie in diesem Zusammenhang auch auf eine Stellungnahme des OGH verwies. Ihrer Meinung nach müssten verurteilte Geschäftsführer:innen ihre Position “ex lege” verlieren, also “sofort aus dem Verkehr gezogen werden”. Eine Abberufung könne monatelang dauern. In Richtung FPÖ hielt sie fest, die EU-Richtlinie diene nicht dem Schutz der Gesellschaft, sondern dem Schutz Dritter, die mit der Gesellschaft interagieren.

ZADIĆ: GESETZ IST RICHTLINIENKONFORM

Justizministerium Alma Zadić hält die Bedenken der SPÖ für unberechtigt. Die österreichische Regelung entspreche der Intention der EU-Richtlinie eher als die deutsche Regelung, betonte sie. Eine Nichtigkeit der Geschäftsführung wäre problematisch und würde zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen sowie Missbrauchsgefahr bedeuten. Dass Deutschland eine andere Lösung gewählt hat, liegt Zadić zufolge daran, dass dort eine automatische Überprüfung durch Einsicht in das Strafregister nicht möglich sei, während Österreich Automationsunterstützung nutzen könne. (Fortsetzung Justizausschuss) gs

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