Tanner: Müssen Neutralität mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen

Aktuelle Stunde im Bundesrat über Investitionen in Österreichs Luftstreitkräfte und Sky-Shield

Zu Beginn der heutigen Bundesratssitzung stellte sich Verteidigungsministerin Klaudia Tanner im Rahmen einer Aktuellen Stunde den Fragen der Abgeordneten. Im Zentrum standen dabei einerseits die Investitionen in das Bundesheer – insbesondere in die österreichischen Luftstreitkräfte – und andererseits der Beitritt Österreichs zum europäischen Luftverteidigungssystem Sky-Shield.

Während Tanner und die Koalitionsfraktionen die verteidigungspolitische Notwendigkeit sowohl der Investitionen in die Verteidigungsfähigkeit Österreichs als auch des Sky-Shield-Beitritts unterstrichen, äußerte die Opposition scharfe Kritik an den aus ihrer Sicht intransparenten Beschaffungsvorgängen und der fehlenden Einbindung des Parlaments beim Wiederaufbau des Bundesheeres. Auch neutralitätspolitische Bedenken hinsichtlich Sky-Shield fanden abermals Ausdruck.

TANNER: BUNDESHEER WIRD SCHRITT FÜR SCHRITT WIEDER ZU EINER MODERNEN ARMEE

Mit über 4 Mrd. € verfüge Österreich 2024 über das höchste Verteidigungsbudget seiner Geschichte, zeigte sich Verteidigungsminister Tanner im Bunderatsplenum erfreut. In einer “geopolitisch nicht zum Guten” veränderten Welt, schaffe dies die Grundlage für eine “dringend notwendige” Steigerung der Investitionen um 66 %. Im Rahmen einer Reise nach Bosnien und in den Kosovo habe sich Tanner davon überzeugen können, dass durch den Aufbauplan des Bundesheeres unter den Motto “Mission Vorwärts” hinsichtlich Uniformen, Bewaffnung, Schutzausrüstung und Fahrzeugen bereits “einiges an Fortschritt” zu verzeichnen sei.

Diese Investitionen bedeuteten nicht nur eine Verbesserung der Verteidigungsfähigkeit Österreichs, sondern auch Vorteile für den Wirtschaftsstandort und die Schaffung von Arbeitsplätzen, so Tanner. Mit einem Budget von insgesamt 18 Mrd. € in den nächsten vier Jahren müsse jedoch auch transparent umgegangen werden. Dies werde vor allem durch das beschlossene Landesverteidigungs-Finanzierungsgesetz (LV-FinG) sichergestellt.

Bezüglich der Luftstreitkräfte berichtete Tanner von der Anschaffung von 36 neuen Leonardo-Hubschraubern, die nach und nach an ihren Stationierungsorten – Aigen im Ennstal (Steiermark) und Langenlebarn (Niederösterreich) – einträfen, was sich auch in den dortigen Bewerbungszahlen für das Bundesheer niederschlage. Weitere Nachbeschaffungen bzw. Modernisierungsmaßnahmen betreffen das Transportflugzeug C-130 Hercules, die Saab 105, die Eurofighter sowie eine zweite Staffel an Black Hawk-Hubschraubern. Den Beitritt zum europäischen Luftabwehrsystem Sky-Shield habe laut Tanner ihre Verantwortung als Verteidigungsministerin geboten, jede Möglichkeit zu nutzen, Österreichs Luftraum zu schützen.

Österreich müsse seine Neutralität mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen, unterstrich Tanner. Die Voraussetzungen dafür seien in der Vergangenheit vernachlässigt worden, würden nun jedoch geschaffen. “Schritt für Schritte” würde das Österreichische Bundesheer wieder zu einer modernen Armee gemacht. Um die Wehrbereitschaft auch in der Bevölkerung zu erhöhen, müsse auch die Umfassende Landesverteidigung wieder “in die Köpfe der Österreicher:innen gebracht” werden, plädierte die Verteidigungsministerin.

KOALITION: NEUTRALITÄT GEBIETET INVESTITIONEN UND BEITRITT ZU SKY-SHIELD

Zunehmende geopolitische Spannungen und eine fortschreitende technologische Entwicklung im militärischen Bereich, hätten “neue Realitäten” geschaffen, mit denen sich die österreichische Landesverteidigung nun konfrontiert sehe, erklärte Matthias Zauner (ÖVP/N). Die Stärkung des Bundesheeres zur Wahrung der Souveränität sei bisher “auf der Strecke geblieben” – wofür sich jede Parlamentsfraktion hinterfragen müsse -, doch die aktuelle Bundesregierung bekenne sich dazu. Dies lasse sich auch an einer “positiven Aufbruchsstimmung” innerhalb des Heeres ablesen, sagte Zauner. Wesentlich für die Verteidigungsfähigkeit Österreichs seien insbesondere Investitionen in die Luftstreitkräfte aber auch der Beitritt zu Sky-Shield, wo es ausschließlich um gemeinsame Beschaffung, Ausbildung und Übungsmaßnahmen gehe. Es sei klar, dass es sich um keinen Beitritt zu einem militärischen Bündnis handle, da die Initiative keine fremden Stützpunkte auf österreichischem Territorium vorsehe und eine Ausstiegsklausel vereinbart sei, für den Fall, dass einer der teilnehmenden Staaten in einen bewaffneten Konflikt gerate. Neutralitätsrechtliche Fragen gegen Sky-Shield ins Treffen zu führen bezeichnete Zauner als “populistisch”.

Angesichts einer immer unvorhersehbar werdenden Bedrohungslage seien Investitionen in die Landesverteidigung zum Schutz der Souveränität und Sicherheit Österreichs “leider” notwendig, sagte Grünen-Mandatarin Elisabeth Kittl aus Wien. Es benötige eine “Abschreckungspolitik”, die dann am besten funktioniert haben werde, wenn die dazu angeschafften Waffensysteme “in Kellern und Lagern verstauben”. Auch die technischen Probleme bei den Evakuierungsflügen aus Israel hätten die Notwendigkeit von Modernisierungsmaßnahmen demonstriert. Sowohl Kittl als auch ihre niederösterreichische Fraktionskollegin Simone Jagl sahen den Beitritt zu Sky Shield durch die Neutralitätsverpflichtung geboten. Laut Jagl dürfe sich Österreich nicht auf den Schutz wohlgesinnter Nationen verlassen. Sie verwies auch auf die Bedeutung des Kriegs als Treiber des Klimawandels, aber auch auf die kriegstreibende Wirkung “lebensfeindlicher” klimatischer Entwicklungen.

OPPOSITION SIEHT FEHLENDE TRANSPARENZ BEI BESCHAFFUNGSVORGÄNGEN UND ÄUSSERT NEUTRALITÄTSPOLITISCHE BEDENKEN ZU SKY-SHIELD

Auch Daniel Schmid (SPÖ/T) betonte, dass der Angriff Russlands auf die Ukraine demonstriert habe, dass der sicherheitspolitische Kurs der vorangegangenen Jahre “völlig neu gedacht” werden müsse und die Verteidigung der Lufthoheit besondere Aufmerksamkeit verdiene. Scharfe Kritik übte er jedoch an der Vorgehensweise Tanners bezüglich des Beitritts zu Sky-Shield. Die Verteidigungssprecher der Fraktionen hätten von der Unterzeichnung der Absichtserklärung erst aus den Medien erfahren, was laut Schmid von einem fragwürdigen Demokratieverständnis Tanners zeuge. Eine Einbindung des Parlaments und insbesondere des Ausschusses für Landesverteidigung brauche es auch, um die Transparenz bei den Beschaffungsvorgängen zu gewährleisten. So sei die Entscheidung für den Einkauf der Fliegerabwehrlenkwaffen für kurze Reichweiten des Modells IRIS-T “im Hinterkammerl” getroffen worden, obwohl ein israelisches Rüstungsunternehmen günstigere und schneller verfügbare Alternativen angeboten hätte. Zudem sei die Beschaffung von Langstreckenraketensystemen, wie sie nun im Rahmen von Sky-Shield erfolgen soll, nicht im Verteidigungsplan festgeschrieben und auch nicht budgetär abgebildet, so Schmid. Wenn die Verteidigungsministerin weiter auf diese Weise handle, drohe ein “Eurofighter-Debakel 2.0”. Laut Schmid stehe auch ein neutralitätsrechtliches Gutachten des Verfassungsdienstes zu Sky-Shield noch aus.

Michael Wanner (SPÖ/S) zeigte sich ebenso kritisch, was die Vorgangsweise bei den Beschaffungen und die aus seiner Sicht fehlende parlamentarische Einbindung betrifft. Zudem vermutete er ein “verstecktes Erweitern” des Grundwehdienstes durch die ÖVP, da eine sechsmonatige Ausbildung für die Bedienung derart spezialisierte Geräte bei weitem nicht ausreiche.

Seitens der FPÖ zweifelte Markus Leinfellner aus der Steiermark an den verteidigungspolitischen Leistungen Tanners. Wichtige Nachbeschaffungen, wie im Bereich der Hubschrauber, hätte bereits ihr Amtsvorgänger von der FPÖ, Mario Kunasek, angestoßen. Mit dem Beitritt zum “NATO-Projekt” Sky Shield verkaufe Tanner die österreichische Neutralität und investiere darin 4 Mrd. €, während es dem Bundesheer an “allen Ecken und Enden” fehle. So würden Offiziere, die ein Studium durchlaufen haben, im Verteidigungsressort noch immer nicht dementsprechend bezahlt, bemängelte Leinfellner. Hochrangige militärische Arbeitsplätze würden in zivile umgewandelt und mit “braven ÖVP-Parteigänger:innen” besetzt. Die Reorganisation der Zentralstelle hätte “dilettantischer” nicht ablaufen können und auch bei den Auslandeinsätzen herrsche “Sodom und Gomorra”, so Leinfellner.  Österreich stelle am Westbalkan keine:n EUFOR-Komandant:in mehr und bei der dortigen ärztlichen Versorgung müsse man sich auf Ungarn verlassen. Markus Leinfellner erhielt im Rahmen seiner Wortmeldung zwei Ordnungsrufe von Bundesratspräsidentin Claudia Arpa, was eine Geschäftsordnungsdebatte über den im Plenum zulässigen Sprachgebrauch nach sich zog.

Günter Pröller (FPÖ/O) sah die Hauptverantwortung für den “besorgniserregenden Zustand” des Bundesheeres bei den ehemaligen SPÖ-Verteidigungsministern Norbert Darabos, Gerald Klug und Hans Peter Doskozil. Erst Mario Kunasek habe notwendige Schritte zum Wiederaufbau eingeleitet und den Soldat:innen wieder Respekt und Wertschätzung entgegengebracht. Verteidigungsministerin Tanner habe diesen “Aufwärtsschwung” laut Pröller nicht mitgenommen. Grundsätzlich seien die aktuellen Budgeterhöhungen zu begrüßen, doch müssten die notwendigen Maßnahmen zur Verbesserung der Einsatzbereitschaft unverzüglich erfolgen. Insbesondere sei in die Konkurrenzfähigkeit des Bundesheeres am Arbeitsmarkt zu investieren, so Pröller.

Verfassungspolitische Fragen hinsichtlich Sky-Shield warf Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS/W) auf. Laut ihm könne es neutralitätsrechtlich problematisch sein, dass das Luftabwehrsystem nicht nur EU-Staaten umfasse – was unter die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) falle  -, sondern auch Norwegen, Großbritannien und die Schweiz. In diesem Sinne sei auch der in Sky-Shield vorgesehene Datenaustausch bedenklich, da sich Österreich damit im Konfliktfall nicht neutral verhalte. Arlamovsky erwarte sich von der Bundesregierung eine Klarstellung, ob es sich nun um ein “bahnbrechendes” System zur Luftraumverteidigung handle oder lediglich ein Übereinkommen zur gemeinsamen Beschaffung. Blieben diese Fragen ungeklärt, würde dies “populistischen Verschwörungstheorien in die Hände spielen”. (Fortsetzung Bundesrat) wit

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.

————————-

Pressedienst der Parlamentsdirektion
Parlamentskorrespondenz
Tel. +43 1 40110/2272
pressedienst@parlament.gv.at
http://www.parlament.gv.at
www.facebook.com/OeParl
www.twitter.com/oeparl

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
© Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender