Nationalrat: Kurzdebatte über NEOS-Antrag auf Einschränkung der Bildungskarenz

Breite Zustimmung zu einer Reform des arbeitsmarktpolitischen Instruments

Die NEOS nutzten die heutige Nationalratssitzung, um die Effizienz des Mitteleinsatzes für die Bildungskarenz zu thematisieren. Laut Entschließungsantrag von Gerald Loacker (NEOS) würden derzeit in hohem Maße überdurchschnittlich gut ausgebildete Personen und sehr junge Menschen vom Weiterbildungsgeld profitieren. Basierend auf Empfehlungen des Rechnungshofs sollten die Mittel der Arbeitslosenversicherung jedoch gezielt und messbar zur Verbesserung der Arbeitsmarktchancen jener Personengruppen eingesetzt werden, die auf dem Arbeitsmarkt Risikogruppen darstellen, wie Loacker ausführt. Die Kosten für die Bildungskarenz hätten sich im Jahr 2021 auf insgesamt 30 Mio. € bzw. 4 % der Beitragseinnahmen des AMS belaufen.

Loacker und seine Fraktionskolleg:innen fordern im Antrag daher unter anderem höhere Mindestanforderungen für anerkannte Weiterbildungen, die verpflichtende Vorlage von Kursbesuchsbestätigungen und Erfolgsnachweisen, erweiterte Kontrollen und die Möglichkeit der Rückforderung von Weiterbildungsgeld bei Nicht-Erfüllung der Weiterbildungspflicht. Für die Behandlung der Initiative wollten sie dem Sozialausschuss eine Frist bis zum 19. April 2024 setzen, forderten die NEOS. Sie verlangten dazu eine Kurze Debatte im Plenum. Der Fristsetzungsantrag blieb in der Minderheit.

LOACKER KRITISIERT BILDUNGSKARENZ ALS ARBEITSMARKTPOLITISCH VERFEHLTE MASSNAHME

Gerald Loacker kritisierte, die Bildungskarenz sei zu wenig treffsicher. Hier würden Mittel der Arbeitslosenversicherung vor allem Personen mit höherer Bildung und Akademiker:innen zugutekommen, was nicht dem ursprünglichen Ziel entspreche. In mehr als der Hälfte der Fälle werde die Bildungskarenz zudem direkt im Anschluss an den Bezug von einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld in Anspruch genommen. Schuld daran, dass das Geld falsch eingesetzt werde, seien nicht diejenigen, die diese Möglichkeit der Optimierung von Arbeitszeiten nützen, sondern der Gesetzgeber, der ein schlechtes Gesetz gemacht habe. Das Problem verschärfe sich noch, weil die Länder “auf jeden Unfug, den der Bund macht”, noch etwas drauflegen würden. Auch das AMS trage das verfehlte System mit und kontrolliere die Anspruchsvoraussetzungen zu wenig. Arbeitgeber:innen würden die Gewährung der Bildungskarenz für einen Golden Handshake missbrauchen. Allen diesen Fehlentwicklungen auf Kosten der Allgemeinheit müsse ein Riegel vorgeschoben worden, sagte Loacker.

Der ursprüngliche Sinn der Bildungskarenz sei es gewesen, die Weiterbildung von weniger qualifizierten Arbeitnehmer:innen zu fördern, betonte auch Tanja Graf (ÖVP). Leider sei dieses Ziel in den letzten Jahren aus den Augen verloren worden, wie auch der Rechnungshof aufgezeigt habe. Daher müsse das an sich gute Instrument wieder seinen ursprünglichen Fokus erhalten. So müsse etwa bei den Nachweispflichten nachgeschärft werden. Arbeitsminister Martin Kocher habe bereits eine Reform in diesem Sinne angekündigt. Um die Reform umzusetzen, sei eine Evaluierung notwendig. Mit dieser sei bereits das Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO beauftragt worden, wobei die Ergebnisse in den nächsten Tagen vorliegen sollten, führte Graf aus.

Für SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch hat die Bildungskarenz die richtige Zielsetzung, eine Weiterbildung zu ermöglichen. Tatsache sei aber auch, dass es gewisse Mängel gebe, wie auch der Rechnungshof aufgezeigt habe. So würden besonders Personen mit höheren Bildungsabschlüssen die Bildungskarenz in Anspruch nehmen, obwohl sie ursprünglich für weniger qualifizierte Arbeitnehmer:innen gedacht war. Ein wichtiger Grund, warum die Bildungskarenz vor allem nach der Babypause in Anspruch genommen werde, sei das Fehlen eines ausreichenden Angebots an Kinderbetreuung, argumentierte Muchitsch. In der derzeitigen Konstruktion müsse man sich die Bildungskarenz auch erst einmal leisten können. Angesichts der Tatsache, dass von Arbeitnehmer:innen heute erwartet werde, sich ständig weiterzubilden, müsse das Instrument daher weiterentwickelt werden, um mit dem eingesetzten Geld möglichst vielen Menschen eine Fortbildung zu ermöglichen und damit qualifizierte Arbeitskräfte zu gewinnen.

Dagmar Belakowitsch (FPÖ) bekannte sich dazu, allen Arbeitnehmer:innen die Möglichkeit der Weiterbildung zu geben. Fehlentwicklungen der Bildungskarenz seien nicht zuletzt auf die mangelhafte Kontrolle des AMS zurückzuführen. Der Grund dafür, dass gerade Frauen mit höheren Einkommen die Bildungskarenz in Anspruch nehmen würden, sei darin zu suchen, dass für diese Gruppe das einkommensabhängige Kindergeld eine attraktive Variante sei. Der Schlüssel zu einer Lösung liege ihrer Ansicht nach in einer Reform der Elternkarenz. Hier müsse man den Bedürfnissen der Familien entgegenkommen und das Kindergeld so gestalten, dass alle Müttern, die das wollen, ihre Kinder möglichst lange selber betreuen können. Dieser Wunsch sollte ohne “ideologische Scheuklappen” ernst genommen werden, forderte die FPÖ-Sozialsprecherin.

Markus Koza (Grüne) argumentierte, wenn die Bildungskarenz derzeit überwiegend von Frauen in Anspruch genommen werde, so sei das unter anderem eine Folge der angespannten Arbeitsmarktsituation während der COVID-19-Pandemie. Viele Frauen hätten in den letzten Jahren die Bildungskarenz der drohenden Arbeitslosigkeit vorgezogen. Er habe an sich kein Problem damit, wenn viele Menschen die Möglichkeit der Fortbildung in Anspruch nehmen. Problematisch finde er vielmehr, wenn der Wunsch von Menschen nach besseren Chancen im Beruf plötzlich in Frage gestellt werde. Ein genauerer Blick auf die Zahlen widerlege, dass die Bildungskarenz überdurchschnittlich von Akademiker:innen in Anspruch genommen werde. Ihr Anteil entspreche vielmehr weitgehend dem Bevölkerungsdurchschnitt. Das Instrument sei auch arbeitsmarktpolitisch erfolgreich, da sich zeige, dass das Ziel, nach der Bildungskarenz ein höheres Einkommen zu erzielen, sehr oft erreicht werde. Keinesfalls stehe er dafür zur Verfügung, Hürden für Menschen aufzubauen, die eine Weiterbildung in Anspruch nehmen wollen, betonte der Sozialsprecher der Grünen.

Martina Künsberg Sarre (NEOS) widersprach der positiven Einschätzung der Bildungskarenz seitens der Grünen. Dass die Art und Weise, wie Bildungskarenz in Anspruch genommen werde, sich negativ auf die Berufskarriere vor allem von Frauen auswirke, sei klar belegbar. Wenn sogar der Wirtschaftsminister zur Reform eines arbeitsmarktpolitischen Instruments bereit sei, dann sollte das eigentlich begrüßt und nicht abgelehnt werden. (Fortsetzung Nationalrat) sox/wit

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