BELVEDERE: Dara Birnbaum in CARLONE CONTEMPORARY

„Bruckner: Symphonie Nr. 5 B-Dur“ im Carlone-Saal des Oberen Belvedere – bis 22. September 2024

Im Rahmen von CARLONE CONTEMPORARY wird die Installation _Bruckner: Symphonie Nr. 5 B-Dur_ der amerikanischen Künstlerin Dara Birnbaum (*1946) gezeigt. Birnbaum hat diese 1995 kontextspezifisch für ihre Retrospektive in Wien entwickelt, 2024 wurde die Arbeit durch die Österreichische Ludwig-Stiftung für das Belvedere erworben. Die Präsentation würdigt den 200. Geburtstag von Anton Bruckner (1824–96). 

In einer Audiocollage stellt Birnbaum Interpretationen der Komposition durch die Dirigenten Wilhelm Furtwängler und Otto Klemperer gegenüber, um die enge Verflechtung der Rezeption dieses Stücks mit ideologischen Rahmenbedingungen in den Blick zu nehmen. Anhand von Schlüsselstellen der Partitur arrangiert die Künstlerin die akustische Gegenüberstellung der beiden Interpretationen und ergänzt diese um historische Filmaufnahmen von Klemperer und Furtwängler. 

Generaldirektorin Stella Rollig: _Die geschichtspolitische Dimension der Installation Dara Birnbaums in der Reihe CARLONE CONTEMPORARY wird im Kontext des Belvedere um den Umstand ergänzt, dass Anton Bruckner sein letztes Lebensjahr _im Kustodentrakt des Oberen Belvedere _verbrachte. Seine Musik ist Teil des klassischen Kanons und unterliegt somit auch einer vieldeutigen Rezeptionsgeschichte, die durch die Künstlerin thematisiert wird.__ _

Die 5. Symphonie ist durch intensive Umarbeitungen durch Bruckner selbst, aber auch durch den ersten Interpreten, Franz Schalk, der die Uraufführung in Abwesenheit des Komponisten dirigiert, gekennzeichnet und wirft damit schon im Ursprung Fragen der Authentizität und Originalität, wie auch der Interpretation und Rezeption auf. Vor diesem Hintergrund interessiert Dara Birnbaum insbesondere die politische Indienstnahme von Bruckners Werk in der Zeit des Nationalsozialismus, galt es doch als die Lieblingssymphonie Adolf Hitlers. Hitlers Verehrung des Komponisten und die folgende nationalsozialistische Kanonisierung seines Oeuvres äußerte sich unter anderem in der bewussten Ignorierung der von Bruckner intendierten Spiritualität seiner Stücke zugunsten einer propagandistischen Instrumentalisierung. 

Chefkuratorin Luisa Ziaja: _Dara Birnbaum geht anhand der titelgebenden 5. Symphonie von Anton Bruckner Spuren des Politischen in der österreichischen Musikgeschichte nach. Sie adressiert Fragen der Vereinnahmung, Verfälschung und Indienstnahme aber auch der Ambivalenz und der Widersprüchlichkeit._ 

So verdichtet sich in den Biografien der beiden Interpreten das Verhältnis von Musik und Geschichtspolitik in aller Komplexität und Widersprüchlichkeit: Der als jüdisch verfolgte Dirigent Otto Klemperer wird 1933 mit einem Aufführungsverbot belegt und flieht in die USA, wo er im Gegensatz zu vielen anderen Geflüchteten an seine großen Erfolge anknüpfen kann. Wilhelm Furtwängler hingegen ist in vielfacher Hinsicht als Dirigent und Multifunktionär in das nationalsozialistische System verstrickt, findet sich 1944 auf der „Gottbegnadeten-Liste“ des Reichspropaganda-Ministeriums, gerät allerdings immer wieder mit der Autorität in Konflikt und wird 1947 von den alliierten Gerichten von jeglicher Kollaboration freigesprochen.  

Künstlerin Dara Birnbaum: _Meine Großeltern väterlicherseits wurden in Wien geboren und emigrierten um 1900 nach New York. Ich glaube, dass mein künstlerisches Talent von den Jahrhunderten europäischer Herkunft herrührt. Durch das Privileg, im Belvedere ausstellen zu dürfen, bin ich also in gewisser Weise zu Hause. Als ich am 13. Januar 1995 miterlebte, wie Leon Botstein, der damalige Dirigent des American Symphony Orchestra, die anhaltende Zensur von Anton Bruckners _Symphonie Nr. 5 in B-Dur_ durchbrach, war ich tief bewegt. Dieses Werk, Hitlers Lieblingssymphonie, durfte in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg nicht gespielt werden. Bei meinen Nachforschungen fand ich heraus, dass verschiedene Dirigenten diese Komposition auf unterschiedliche Weise interpretierten. In diesen chaotischen Zeiten ist es vielleicht am besten, nach der authentischen Absicht des Künstlers in seinem kreativen Werk zu suchen und zu erkennen, dass alles – auch die Kunst – offen für Interpretationen ist. Vielleicht subtil, aber gerade dadurch außerordentlich bedeutsam._

Dara Birnbaum wurde 1946 in New York, USA, geboren, wo sie bis heute lebt und arbeitet. Als Pionierin der Medienkunst widmet sie sich seit den 1970er-Jahren einer kritischen Auseinandersetzung mit massenmedialen Bildern. Ihre Arbeiten wurden vielfach ausgezeichnet und ausgestellt, zuletzt: Tai Kwun, Hongkong (2023), Fondazione Prada Osservatorio, Mailand (2023), Prada Tokyo Aoyama (2023), Museum of Modern Art, New York (2023, auch 2008), MoMA PS1, New York (2019), National Portrait Gallery, London (2018), Cleveland Museum of Art (2018). Umfassende Retrospektiven wurden im Hessel Museum of Art, Annandale-on-Hudson (2022), im Miller Institute for Contemporary Art, Pittsburgh (2022), im Museu de Arte Contemporånea de Serralves, Porto (2010), und im S.M.A.K. Stedelijk Museum voor Actuele Kunst, Gent (2009), gezeigt. Birnbaum war zudem bei der documenta 7, der documenta 8 und der documenta 9 präsent. 1987 wurde sie als erste Frau im Bereich Video mit dem renommierten Maya Deren Award des American Film Institute ausgezeichnet. 2017 stiftete die Kunsthochschule der Carnegie Mellon University den Birnbaum Award zu Ehren der Künstlerin. 

Die Reihe _CARLONE CONTEMPORARY_ präsentiert zeitgenössische Werke im Carlone-Saal des Oberen Belvedere. Dabei schlagen Künstler*innen mit ihren Positionen zum barocken Bildprogramm der Fresken eine Brücke von der antiken Götterwelt Apolls und Dianas in die Gegenwart. 

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