Sprache als Skulptur – Nachruf auf Lawrence Weiner

Wien (OTS) – Mit seiner Art, die Sprache als Werkmotiv zu verwenden, schuf Lawrence Weiner nicht nur zentrale Arbeiten der Konzeptkunst, sondern definierte auch die Grundlagen dieser Kunstrichtung. Während Sol Lewitt in seinen zeitlich parallel entstandenen „Paragraphs on Conceptual Art“ das Kunstmachen auf verbindliche Regeln festzulegen versuchte, relativierte Weiner in seinen „Statements of Intent“ (1969) jede Art von Verbindlichkeit, indem er meinte, dass ein Kunstwerk auch dann existieren kann, wenn der Künstler es nicht eigenhändig ausführt oder es auch gar nicht ausführt, sondern es sich einfach denkt. Konsequenterweise merkte er auch an, dass das Werk nicht die Angelegenheit des Künstlers allein sei, sondern ein Kunstwerk in seiner Bedeutung im Wesentlichen erst im Augenblick der Wahrnehmung durch Betrachter*innen entsteht, denn „die Entscheidung über die Ausführung liegt beim Empfänger zum Zeitpunkt des Empfangs.“ (Weiner) Den Künstler interessierte also vor allem „die Beziehung zwischen Menschen und Objekten bzw. jene zwischen den Objekten in ihrem Verhältnis zum Menschen“, wie er selbst meinte.

Damit übersetzte Weiner die von der Minimal Art losgetretene Sensibilisierung für die Wahrnehmung als bestimmende Komponente der Werkbedeutung in den Bereich sprachbestimmter Konzeptkunst. Er war mit den sprachphilosophischen Diskursen seiner Zeit vertraut, konnte sich auf einen von Wittgenstein erweiterten und von den Poststrukturalisten politisierten Sprachbegriff berufen, der weit über das bloß Geschriebene und Gesprochene hinausging. Während in diesem zeitgenössischen Kosmos der Spracherweiterung den Gegenständen und Materialien textuelle Eigenschaften zugesprochen wurden, kam umgekehrt den Texten ein materieller und sinnlicher Status zu. So war es möglich, dass Weiner seine Textarbeiten – die vor allem in Form von Wandtexten in Ausstellungsräumen und auf Gebäudefassaden Bekanntheit erlangten – als Skulpturen bezeichnen konnte. Und so wie die Minimalisten möglichst nüchterne geometrische Objekte schufen, deren Bedeutung sich erst in der Betrachtung entfalten sollte, vermied Weiner in seinen Textarbeiten explizite Botschaften und verstand diese als offene Interpretationsofferte, die man beim Lesen und Betrachten sinnlich aufzuladen und zu deuten hatte. Dass Kunst – auf Seiten der Produzenten wie auch der Rezipienten – etwas mit Intellektualität und Intelligenz zu tun hat und beides nicht von Sinnlichkeit und Materialität abzutrennen ist, diese Einsicht verdanken wir Künstler*innen wie Lawrence Weiner.

Wie sehr dem Künstler an einer seriösen Kommunikation im urbanen öffentlichen Raum gelegen war, und wie sehr ihm die marktgängige Verwertung von Sprache mißfiel, hat er beispielhaft anhand seiner Arbeit „Smashed to pieces in the still of the night / Zerschmettert in Stücke im Frieden der Nacht“ am „Haus des Meeres“ (Flakturm) unter Beweis gestellt. Er hat sich zurecht gegen die kommerzielle Vereinnahmung dieser Arbeit gewehrt und sie den geschäftstüchtigen Nutzern entzogen. Es ist nicht zuletzt die Konsequenz seiner künstlerischen Haltung, die seine internationale Bedeutung begründet und ihm Ehrungen wie den renommierten Oskar Kokoschka Preis einbrachten, der ihm nun posthum zuerkannt wird.

Wir werden diesen wichtigen Künstler und großartigen Menschen vermissen.

Karola Kraus, Rainer Fuchs und das Team des mumok

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