20. Wiener Gemeinderat (9)

Dringliche Anfrage an den Bürgermeister (Forts.)

Wien (OTS/RK) – GR Dr. Kurt Stürzenbecher (SPÖ) meinte, auch beim „dritten oder vierten Aufguss“ bleibe das Thema „sperrig“. Selbst wenn man sich die Vorwürfe erneut vorbringen würde, bleibe davon nix übrig: Die Stadtregierung hätte immer im Interesse des sozialen Wohnbaus gehandelt; auch hätte die SPÖ nichts mit Neoliberalismus zu tun. Vor allem in Wien sei der Vorwurf „absurd“ – denn: „Nirgends gibt es so viele leistbare Wohnungen wie in Wien, 60 Prozent der Wiener*innen leben im geförderten oder kommunalen Wohnbau, der soziale Wohnbau wirkt Mietpreis senkend“, sagte Stürzenbecher. Anfang der 2000er-Jahre sei es die schwarz-blaue Bundesregierung gewesen, die den sozialen Wohnbau „aufs Schäbigste verscherbelt“ hätte, als mehr als 60.000 Wohnungen der BUWOG verkauft wurden, und zwar möglichst günstig für die Käufer*innen und zum Nachteil der Mieter*innen, betonte Stürzenbecher. Auch heute würden sich noch Gerichte mit dem Verkauf und den Protagonisten der BUWOG-Privatisierung beschäftigen. Die Stadt Wien hätte nie Wohnungen „entkommunalisiert“ und auch nie einer Aberkennung der Gemeinnützigkeit zugestimmt; Anteilsübertragungen seien immer streng geprüft worden. Es gebe „gerichtliche Nachspiele“ wegen eines unklaren Bundesgesetzes; das Kontrollsystem zum Schutz von Gemeinnützigen in Wien hätte aber immer gut funktioniert, betonte Stürzenbecher. Auch die Vorwürfe rund um die ARWAG seien „aus der Luft gegriffen“, sagte Stürzenbecher. Wien hätte den Gemeindebau nicht von sich aus geöffnet, das sei einer EU-Vorgabe geschuldet, erklärte Stürzenbecher. „Das heißt nicht, dass wir den Gemeindebau nicht sonst auch geöffnet hatten – aber um einiges sensibler“, sagte Stürzenbecher. Wien hätte übrigens bereits in den 1990er Jahren den Klimaschutz mit den „Tewosan-Sanierungen“ vorangetrieben. „Wenn eine Partei für die Privatisierung von Wohnungen eingetreten ist, dann war das die ÖVP“, sagte Stürzenbecher in Richtung seines Vorredners Gemeinderat Sittler.

GR Stefan Berger (FPÖ) ortete „Realitätsverlust“ bei der SPÖ – „Das was sie hier schildern – leistbare Mieten, großes Angebot an sozialem Wohnbau – das sehen viele Mieterinnen und Mieter anders“, sagte Berger. Beim Thema leistbares Wohnen werde von der Stadtregierung „mehr Schein als Sein“ geboten. Die Mieten im 10. Bezirk seien in den letzten Jahren um 40 Prozent gestiegen. Die Errungenschaften der SPÖ in der Zwischenkriegszeit seien unbestritten, in den vergangenen Jahren würde die SPÖ den sozialen Wohnbau in Wien „zu Grabe tragen“. Jedes Mal, wenn der Bundesrechnungshof Wiener Wohnen prüfe, kommen vernichtende Berichte heraus. Er kritisierte den „Sanierungsstau“ bei den Gemeindebauten, die mittlerweile frühestens alle 60 Jahre saniert würden. Die Siedlung Wienerfeld West sei von der Stadt Wien so lange verfallen gelassen worden, bis 150 Gemeindewohnungen geräumt und abgerissen werden mussten. „Das ist eine wohnbaupolitische Bankrotterklärung“, sagte Berger. Die Stadt würde regelmäßig die Gebühren für Müll, Wasser oder Parken „hochschnalzen“ lassen; auch werde der Rotstift bei den Ärmsten angesetzt, zum Beispiel durch den Wegfall des Heizkostenzuschusses für „Mindestpensionisten oder Geringverdiener“, kritisierte Berger. Auch bemängelte er das Service der Hausverwaltung von Wiener Wohnen, so werde nicht auf Anrufe reagiert, außerdem gebe es lange Wartezeiten auf eine Gemeindewohnung. Inzwischen würden sich auch ehemalige SPÖ-Funktionäre an die Medien wenden, weil sie sich Sorgen um die Substanz ihrer Gemeindebau-Anlage machen. Da sei „Feuer am Dach im sozialen Wohnbau“, sagte Berger.

GR Georg Prack, BA (GRÜNE) forderte: „Mit leistbaren Wohnungen spekuliert man nicht, die verschleudert man nicht an Immo-Haie“ – insofern stimme er der FPÖ beim Thema der Dringlichen zu, allerdings komme ihm dabei auch der Spruch „Haltet den Dieb“ in den Sinn. Er erinnerte die FPÖ an die Privatisierung der 60.000 BUWOG-Wohnungen; die seien um 60.000 Euro pro Wohnung verkauft worden, inzwischen würden Mieter*innen herausgeekelt und die ehemaligen leistbaren Bundes-Wohnungen seien Eigentum einer deutschen Immo-Firma. Im Burgenland hätte die rot-blaue Landesregierung bei der Aberkennung der Gemeinnützigkeit und Privatisierung von Wohnbaugenossenschaften und Wohnbauträgern wie Buntes Wohnen oder GESFÖ/Riedenhof mitgemacht, kritisierte Prack. Wohnungen der Genossenschaft Riedenhof in Wien seien dabei mit 17.000 Euro bewertet worden – also weit unter Marktwert. Bei der ARWAG sei der Verkauf von Anteilen durch die Stadt gestoppt worden; Prack forderte, dass der Verkauf komplett abgesagt werde. Er forderte außerdem, dass die Gemeinnützigkeit von Wohnbauträgern nicht mehr einfach abgeschafft werden könne – wenn ein Gemeinnütziger Bauträger „nicht mehr will oder kann“, sollten die Liegenschaften an das Land zurückfallen. Dieses könne dann einen neuen Bauträger finden, der die Wohnungen verwaltet, schlug Prack vor.

GR Georg Niedermühlbichler (SPÖ) begrüßte den Vorschlag von Prack; die Grünen könnten das Vorhaben auf Bundesebene wohl mit Unterstützung der Justizministerin umsetzen, sagte Niedermühlbichler. Auch das Mietrecht – das Steigerungen möglich mache – sei Bundessache. Im Nationalrat mache sich die SPÖ für eine klare Mietzins-Obergrenze stark, ebenso eine Abschaffung der Maklerprovision. Die FPÖ sei gegen beide Vorschläge – und daher mit Vorschlägen zu sozialem Wohnbau und leistbaren Mieten „einfach unglaubwürdig“, sagte Niedermühlbichler in Richtung FPÖ. Auch ließ er nicht gelten, dass die Gebühren in Wien besonders hoch seien und die Mieten steigen ließen. Die Gebühren machten nur ein Drittel der Wohnkosten aus – wobei hinter den Gebühren auch eine konkrete Leistung dahinter, von der Lieferung von frischem Hochquellwasser in die Wohnung bis hin zu funktionierender Müllabfuhr. Auch die ÖVP sei als Schützerin des sozialen Wohnbaus nicht glaubwürdig: „Wer wollte immer Gemeindebauwohnungen verscherbeln? Das war die ÖVP“, sagte Niedermühlbichler. Wohnen dürfe nicht den Privaten überlassen werden, so Niedermühlbichler: „Die wollen spekulieren. Es ist die Stadt, die im Sinne der Menschen gut mit dem sozialen Wohnbau umgeht“. Wien hätte sich mit Bürgermeister Ludwig dazu entschieden, auch wieder Gemeindewohnungen zu bauen; in der Fortschrittkoalition sei vereinbart, rund eine Milliarde in die ökologische Sanierung von bestehenden Gemeindebauten zu investieren, erinnerte Niedermühlbichler.

Nach der Debatte zur „Dringlichen Anfrage“ der FPÖ wurde die Tagesordnung wieder aufgenommen und mit den Beiträgen zur Förderung des Vereins „NACHBARINNEN in Wien“ fortgesetzt.

Förderung an den Verein „NACHBARINNEN in Wien“ -Muttersprachliche Begleitung von migrantischen Familien

GRin Mag. Aygül Berivan Aslan (GRÜNE) beklagte, es sei in der Integrationspolitik viel versäumt worden, weil Migrant*innen nur als Arbeitskräfte wahrgenommen werden würden. Sobald sie „ihr menschliches Bedürfnis nach Sicherheit und Lebensqualität anmelden, werden sie vor die Tür gesetzt.“ Für die schwarz-blaue Regierung sei es viel einfacher gewesen „abwerten statt fördern. Einfacher, den Menschen vorzuwerfen, dass sie sich nicht integrieren wollen, statt echte Chancen zu bieten.“ Sie betonte, der Verein „NACHBARINNEN in Wien und viele andere Vereine leisten genau das, was sie Jahrzehnte nicht geschafft haben“. Sie seien gegründet worden, weil echte Integrationspolitik zu machen und Chancengleichheit zu schaffen, verabsäumt worden sei. Vereine würden hervorragende Arbeit leisten, vor allem für Frauen, die von Gewalt betroffen und finanziell abhängig von den Ehemännern seien. Das sei aber nur möglich, wenn muttersprachliche Begleitung auch bei Amtswegen verfügbar sei. Aslan brachte drei Anträge ein. Im ersten forderte sie den Vizebürgermeister auf, die Website der MA 35 mehrsprachig zu gestalten und barrierefreien Zugang zu Informationen bieten. Die Covid-Pandemie hätte gezeigt, dass mehrsprachige Informationen möglich seien, sagte Aslan. Sie nahm das „Black Voices“-Volksbegehren zum Anlass, um weitere Anträge einzureichen: Im zweiten Antrag forderte sie eine Überarbeitung von rassistischen und kolonialistischen Straßennamen in Wien. Als Beispiel nannte sie die „Mohrengasse“ oder den „Columbusplatz“. Diese Straßennamen seien unvereinbar mit den Zielen der Menschenrechtsstadt Wien, sagte Aslan. In einem weiteren Antrag forderte sie den Bürgermeister auf, einen Antirassismus-Beauftragen in Wien zu ernennen. Diese Person sollte eine „schwarze Person, oder eine ‚Person of colour‘” sein.

GRin Mag. Caroline Hungerländer (ÖVP) meinte, es sei etwas paradox, eine Antirassismus-Beauftragte zu fordern und dann weiße Personen auszuschließen. Auch sei die schwarze Liste Österreichs Kolonialgeschichte sehr kurz, meinte Hungerländer. Der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF) sei von Schwarz-Blau „auf ein höheres Level“ gehoben worden. Auch der erste Integrations-Staatssekretär sei in einer ÖVP-Regierung eingesetzt worden; Integration als eigenes Ressort mit Ministerin geschah auch unter einer ÖVP-Regierung zählte Hungerländer auf. Sie forderte mehr Unterlagen zum Verein „NACHBARINNEN in Wien“ um die Förderung besser beurteilen zu können. An der Integrationspolitik der Stadt kritisierte sie, dass „unangenehmere“ Seiten wie antisemitische Tendenzen oder Einfluss aus dem Ausland ausgeblendet würden. Die Stadtregierung müsse erkennen, dass der politische Islam in Wien am Vormarsch sei – als Beispiel nannte sie einen Verlag und ein Buchgeschäft in Rudolfsheim-Fünfhaus, das „Millî Görüş“ nahe stehe. In den Regalen stünden dort antisemitische Werke und Manifeste des Islamismus. Wien habe lange nicht gehandelt, auch der neue Integrations-Stadtrat handle nicht. Sie forderte, dass sich die Stadt öffentlich zum Kampf gegen den politischen Islam bekenne und ein Expert*innen-Dialog zum Umgang mit dem politischen Islam startet. Sie verteidigte eine Anfrage zur „Muslim Contemporary“ durch die ÖVP – diese hätte nicht darauf abgezielt die Veranstaltung zu verbieten, sondern hätte darauf abgezielt, die Finanzierung offenzulegen. Die Veranstaltung sei sogar aus zwei Töpfen finanziert worden, an der Kontrolle der Opposition vorbei, so Hungerländer. Sie verwehrte sich gegen die Vermischung von kritischen Fragen und Rassismus oder vermeintlichen Anti-Islamismus.

(Forts.) ato

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