Krismer: „Endlich mit dem Naturschutz-Kompetenz-Wirrwarr zwischen Land und Bund aufräumen!“

In den Tullnerfelder Donauauen wird gerodet, obwohl EU-Recht es verbietet. Grund ist der Forst- und Naturschutz-Zuständigkeitswirrwarr bei Land und Bund

St.Pölten (OTS) – Auf dem Papier ist die Sache klar. Und mit europaweit verbindlichen Rechtsnormen festgeschrieben: Was als „Natura 2000“-Gebiet zertifiziert ist, hat allerhöchsten Schutz-Anspruch. Schließlich ist „Natura 2000“ ein von der EU für ein europaweites Schutzgebiet Netzwerk geschaffenes Label. „In diesen Gebieten“, erklärt Niederösterreichs Grünen-Chefin Helga Krismer, „sind Flora und Fauna besonders sensibel sind und sollen ganz besonderen Schutz erfahren.“ Was in Natura 2000 Gebieten geschehen darf, ist klar definiert. Auch, was dort NICHT passieren darf: Die EU-Mitgliedsstaaten verpflichten sich per EU-Richtlinie, jede„ Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie erhebliche Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen sind” hier zu vermeiden. Das besagt das sogenannte „Verschlechterungsverbot aller Europaschutzgebiete“. EU-Richtlinien werden – vereinfacht gesagt – automatisch Teil der nationalen Gesetze. Das passt gut, denn die Wahrung und Durchsetzung des Forstgesetzes ist in Österreich Bundessache: Zuständig ist also das Landwirtschaftsministerium. Helga Krismer seufzt: „Auf dem Papier ist das klar und eindeutig – in Wirklichkeit aber leider nicht. Und dafür gibt es skandalöse Beispiele.“

Ein besonders krasses liegt in den Tullnerfelder Donauauen. „Dort wird seit Jahren im großen Stil und trotz Bürger:inneneinsprüchen wüst und brutal abgeholzt – und Böden und Lebensräume nachhaltig zerstört,“ berichtet Helga Krismer. Die Tullnerfelder Donauauen reichen von Krems bis Korneuburg. Das 18.000 Hektar große Areal bietet Lebens und Rückzugsräume für 25 Vogel-, Dutzende Säuge- und über 30 Pflanzenarten. Arten, die anderswo verdrängt und teils gefährdet sind. „Doch der Schutz ist hier nicht einmal das Papier wert, auf dem er festgeschrieben ist“, stellt die Sprecherin der NÖ-Opposition fest und ist „richtig angefressen“: Denn bei Spillern wurde und wird in der Au auf einem mehrere hundert Meter langen und über 100 Meter breiten Areal mit schwerem Gerät gnadenlos abgeholzt. Boden und Humusschicht werden mit Schubraupen fast einen halben Meter abgegraben. „Hier wächst und lebt so bald nichts mehr“, war die Grün-Politikerin schon im Frühjahr entsetzt. Damals war sie mit dem Grünen Stockerauer Umweltstadtrat Dietmar Pfeiler und Franz Hatzl von den Grünen in Spillern hier und fragte: „Wo ist die politische Kontrolle? Wo die Behörde? Wo das Land, das solche Umtriebe verhindert? Darf so etwas wahr sein?“

Brutale Eingriffe ohne Prüfung
Darf es nicht – ist es aber. Und zwar seit langem. Denn die brutalen Eingriffe finden unter den Augen einer untätigen Landesbehörde statt:
Hier fand seit mittlerweile 15 Jahren für die permanenten forstwirtschaftlichen Eingriffe keine Naturverträglichkeitsprüfung mehr statt. Dass dies zu einer nachweislichen Verschlechterung der Lebensbedingungen und auch Einschränkungen der Lebensräume etlicher Tier- und Pflanzenarten führte, ist aber „amtlich“: Der für Naturschutz zuständige NÖ Landesrat, Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP) räumte es im Zuge einer Anfrage der NÖ-Grünen nämlich ein. Aber Moment: Wieso Pernkopf? Sind „Natura 2000“-Agenden nicht Bundessache?

Jein: Naturschutz fällt in Österreich nämlich nicht in die Kompetenz des Bundes, sondern des Landes. Ein Dilemma, das Folgen hat, weiß Helga Krismer: „In Forst-Bewilligungsverfahren lassen sich Naturschutzbedenken, also etwa die Schutzinteressen von Natura 2000-Gebieten daher sehr leicht, sagen wir einmal höflich, ‚übersehen‘.“ „Kommt zum Kompetenzwirrwarr zwischen Land und Bund dann, wie in den Tullnerfelder Donauauen Wegschauen und Desinteresse der Landes-Naturschutzbehörde hinzu, sind Vorgänge wie die bei Spillern nicht weiter verwunderlich – aber umso skandalöser,“ betont Niederösterreichs Grünen-Chefin Helga Krismer. Deshalb, freut sich Krismer sei es, „hoch an der Zeit, dass nun auf Initiative der Grünen im Nationalrat dieser Zuständigkeitswirrwarr mit seinen Interessenkonflikten und Grauzonen endlich beendet werden soll.“ Die dafür nötigen [Anfragen richteten die Grünen Nationalratsabgeordneten aus Niederösterreich Elisabeth Götze und Ulrike Fischer soeben an das ÖVP-geführte Landwirtschaftsministerium.]
(https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/J/J_11087/index.shtml)

Freilich, schließt die niederösterreichische Oppositionschefin, „beantwortet das die Frage, warum der für Naturschutz im Land zuständig Landesrat da angesichts der Missstände in der Au bei Spillern jahrelang untätig war, leider auch nicht.“

Tom Rottenberg
Pressesprecher der Grünen NÖ

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