Nationalrat: Breite Zustimmung zur Novellierung des Parteiengesetzes

Rechnungshofspitze soll künftig mit Zweidrittelmehrheit gewählt werden

Wien (PK) – Die lange diskutierte Novelle zum Parteiengesetz hat heute im Nationalrat breite Zustimmung erhalten. Neben den Koalitionsparteien unterstützte auch die SPÖ den umfangreichen Gesetzentwurf und stellte somit die notwendige Zweidrittelmehrheit sicher. Ziel der Novelle ist es, mehr Transparenz in die Parteienfinanzierung zu bringen und damit auch für mehr Fairness im politischen Wettbewerb zu sorgen. Auch begleitende Gesetzesänderungen sind weitgehend auf Schiene. Allerdings ist die Dritte Lesung über die geplante Änderung der Bundesverfassung und der Geschäftsordnung des Nationalrats wegen einzuhaltender Fristen noch ausständig – diese allerletzte Abstimmung soll morgen Abend erfolgen.

Mitberücksichtigt bei der Abstimmung über das Parteiengesetz wurde ein gemeinsamer Abänderungsantrag der Koalitionsparteien und der SPÖ. Damit wird sichergestellt, dass Verstöße gegen die geltenden gesetzlichen Bestimmungen auch noch nach dem Inkrafttreten der neuen Regelungen mit Verwaltungsstrafen sanktioniert werden können. Zudem wurden die Verjährungsbestimmungen adaptiert. Weitere Abänderungsanträge der SPÖ und der NEOS fanden dagegen keine Mehrheit.

Erfreut über den Beschluss äußerten sich ÖVP und Grüne. Mit dem vorliegenden Entwurf werde das strengste Parteiengesetz beschlossen, das Österreich je hatte, sagte Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer und wertete das als “riesigen Erfolg”. Damit werde ein neues Kapitel der Fairness und der Transparenz aufgeschlagen, hielt ÖVP-Verhandler Andreas Ottenschläger fest. Diese Euphorie wollte SPÖ-Abgeordneter Jörg Leichtfried allerdings nicht teilen: Er und seine Fraktionskolleg:innen sehen noch viele Schlupflöcher im Gesetz und stimmten vor diesem Hintergrund erst in Dritter Lesung für den gesamten Entwurf.

Seitens der NEOS bewertete Nikolaus Scherak die Novelle in weiten Teilen positiv. Durch eine “immense Lücke” im Gesetz bleibe aber eine Hintertür für illegale Parteienfinanzierung offen, kritisierte er. Nach wie vor könnten Parteispenden durch Vereinskonstruktionen verschleiert werden, weil die Definition von parteinahen Organisationen viel zu eng gefasst sei. Auch die SPÖ vermisst in diesem Zusammenhang ausreichende Klarheit und regte die Möglichkeit einer Statusprüfung von Vereinen und Organisatonen durch den Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat an. Zudem forderte SPÖ-Verfassungssprecher Jörg Leichtfried eine Erweiterung der vorgesehenen Veröffentlichungspflicht für von Ministerien beauftragte Studien, Umfragen und Gutachten.

Aufgegriffen wurden diese Vorschläge von ÖVP und Grünen nicht. In Reaktion auf die Bedenken der beiden Oppositionsparteien brachten die Koalitionsparteien allerdings zwei Entschließungsanträge ein, die vom Nationalrat mehrheitlich angenommen wurden. Demnach ist Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler angehalten, zu prüfen, inwieweit die neuen gesetzlichen Bestimmungen höchstmögliche Transparenz sowie Rechtssicherheit im Hinblick auf parteinahe Vereine und Vorfeldorganisationen gewährleisten bzw. ob noch Nachbesserungen nötig sind. Auch die Zweckmäßigkeit eines rechtsverbindlichen Vorab-Feststellungsverfahrens zur Prüfung der Parteinähe einer Organisation oder eines Vereins soll geprüft werden. Zudem sind der Abgeordnetenmehrheit vereinfachte Abfragen von Vereinsstatuten im Vereinsregister ein Anliegen.

Massive Kritik an der Novelle zum Parteiengesetz übte die FPÖ. So bezweifelte etwa Abgeordneter Christian Ragger, dass das Gesetzespaket in der Praxis tatsächlich Verbesserungen bringen wird. Mittels Entschließungsantrag forderten die Freiheitlichen unter anderem ein gänzliches Verbot von Parteispenden, “eine “unverzügliche Entpolitisierung der Institution Rechnungshof” und eine Stärkung der parlamentarischen Kontrolle, konnten sich mit der Initiative aber nicht durchsetzen.

Rechnungshof kann bei Verdacht auf Unregelmäßigkeiten künftig Einschau in Parteifinanzen halten

Konkret sieht die Novelle zum Parteiengesetz vor, die Veröffentlichungspflichten der Parteien erheblich zu erweitern und dem Rechnungshof bei Verdacht auf Unregelmäßigkeiten echte Prüfbefugnisse einzuräumen. Demnach sind künftig etwa auch Vermögen und Schulden in den jährlichen Finanzberichten auszuweisen und nach Wahlen eigene Wahlwerbungsberichte mit detaillierter Kostenaufschlüsselung vorzulegen. Gleichzeitig wird die Strafdrohung für Verstöße gegen die Wahlkampfkostenobergrenze deutlich erhöht. Auch verschärfte Spendenregelungen, neue Kennzeichnungspflichten für politische Inserate in Wahlkampfzeiten, die Einführung eines öffentlichen Parteienregisters, klarere Regelungen in Bezug auf parteinahe Organisationen und viele weitere Punkte gehören zum umfangreichen Paket. Kleine Geld- und Sachspenden unter 150 € werden künftig allerdings nicht mehr unter den Spendenbegriff fallen.

Ergänzt wird die Parteiengesetz-Novelle durch eine Änderung des Klubfinanzierungsgesetzes und des Publizistikförderungsgesetzes, die einstimmig vom Nationalrat beschlossen wurde. Damit wird ein grundsätzliches Spendenannahmeverbot für parlamentarische Klubs und Parteiakademien normiert.

Auch einige Vorschläge aus einem Antrag der SPÖ haben die Abgeordneten – zum Teil in adaptierter Form – aufgegriffen. Demnach wird für die Wahl des Rechnungshofpräsidenten bzw. der Rechnungshofpräsidentin künftig eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat erforderlich sein, wobei der Wahl ein medienöffentliches Hearing im Hauptausschuss vorangehen soll. Auch eine etwaige Abberufung des Rechnungspräsidenten bzw. der Rechnungshofpräsidentin bedarf einer Zweidrittelmehrheit.

Mit der Verfassungsnovelle wollen ÖVP, SPÖ, Grüne und NEOS Bund, Länder und Gemeinden außerdem dazu verpflichten, alle ab Jänner 2023 in Auftrag gegebenen Studien, Gutachten und Umfragen zu veröffentlichen, wenn dem nicht besondere Gründe der Amtsverschwiegenheit wie Datenschutz oder Urheberrechte entgegenstehen. Auch eine erweiterte Möglichkeit der Parlamentsklubs, den Rechnungshof mit Sonderprüfungen zu beauftragen, ist vorgesehen. Endgültig fixiert wird dieser Teil des Gesetzespakets allerdings erst morgen: Im Falle von Änderungen der Geschäftsordnung des Nationalrats müssen zwischen Zweiter und abschließender Dritter Lesung mindestens 24 Stunden liegen.

Mit den Gesetzesbeschlüssen als miterledigt gelten drei Anträge der NEOS, die abschreckende Strafen für eine Überschreitung des gesetzlichen Wahlkampfkostendeckels, ein generelles Spendenverbot für Unternehmen, an denen die öffentliche Hand beteiligt ist, und die Gewährung voller Prüf- und Einsichtsrechte in die Parteifinanzen durch den Rechnungshof zum Ziel hatten. Vom Plenum mehrheitlich abgelehnt wurde hingegen die Forderung der NEOS, Straftatbestände für illegale Parteienfinanzierung und für eine Fälschung der jährlichen Rechenschaftsberichte der Parteien einzuführen. Auch die von NEOS-Verfassungssprecher Nikolaus Scherak vorgeschlagene Senkung des Wahlkampfkostendeckels auf 1 € pro Wahlberechtigte bzw. Wahlberechtigtem, auch für Landtags- und Gemeinderatswahlen, fand keine ausreichende Unterstützung. Die FPÖ blitzte mit ihrem Vorschlag ab, Parteispenden – ausgenommen für neue Parteien – gänzlich zu verbieten.

SPÖ: Geld darf politische Entscheidungen nicht beeinflussen

Im Zuge der Debatte wiederholte SPÖ-Abgeordneter Jörg Leichtfried eine frühere Aussage, wonach es Gift für die Gesellschaft sei, wenn Geld bei politischen Entscheidungen eine größere Rolle spiele als die Stimme in der Wahlzelle. Es dürfe nicht sein, dass Korruption, der Missbrauch von Steuergeldern sowie massive Wahlkampfostenüberschreitungen einen Vorteil im politischen Wettbewerb bringen, wie dies in der Vergangenheit geschehen sei, mahnte er. Zudem brauche es Transparenz bei der Verwendung öffentlicher Gelder. Ganz zufrieden zeigte sich Leichtfried mit dem vorliegenden Gesetz vor diesem Hintergrund nicht, er kündigte aber an, die verfassungsgesetzlichen Teile des Pakets mitzutragen.

Lob für einzelne Teile des Pakets kam von SPÖ-Abgeordneter Selma Yildirim. Vor allem die neuen Prüfbefugnisse des Rechnungshofs sieht sie als großen Fortschritt. Leichtfried bedauerte allerdings, dass es nicht möglich gewesen sei, die amtierende Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker “mit Zweidrittelmehrheit wiederzuwählen”.

Was die Änderung der Bundesverfassung betrifft, drängte die SPÖ darauf, Bund, Länder und Gemeinden dazu zu verpflichten, fertiggestellte Studien, Umfragen und Gutachten bereits mit Beginn des Jahres 2023 zu veröffentlichen. Es sei völlig unverständlich, dass diese Pflicht nur für Studien, Gutachten und Umfragen gelten soll, die ab 2023 in Auftrag gegeben werden, wird dazu in einem von der SPÖ eingebrachten Abänderungsantrag festgehalten. Ihrer Meinung nach nährt das den Verdacht, dass laufende Studien anderen Interessen als jener der auftraggebenden Stelle dienen. Zudem sollte der SPÖ zufolge explizit im Gesetz verankert werden, dass unter die Veröffentlichungspflicht auch beauftragte Leitbilder, Konzepte, Werbebroschüren und sonstige Publikationen fallen.

NEOS orten deutliche Verbesserungen

Seitens der NEOS lobte Verfassungssprecher Nikolaus Scherak den Verhandlungsprozess. Es seien viele Dinge umgesetzt worden, die den NEOS seit Jahren ein Anliegen sind, sagte er. Als Bespiele nannte er die neuen Prüfrechte des Rechnungshofs und hohe Strafen für Wahlkampfkostenüberschreitungen. Wer künftig um 6 Mio. € mehr ausgebe als erlaubt, wie das in der Vergangenheit die ÖVP getan habe, müsse mit einer Strafe von bis zu 12 Mio. € rechnen.

Nach Meinung von Scherak, hat ÖVP und Grünen aber “auf den letzten Metern der Mut verlassen”. Es sei eine “immense Lücke”, dass der Begriff “nahestehende Organisation” nur auf eng mit den Parteien verwobene Organisationen abstelle, klagte er. Damit blieben parteinahe Vereine von den strengen Bestimmungen des Parteiengesetzes weiterhin ausgenommen und eine Hintertür für illegale Parteienfinanzierung offen. Das bedauerte auch sein Parteikollege Douglas Hoyos-Trauttmansdorff.

Um das Problem zu beheben, regte Scherak an, den Begriff “nahestehende Organisation” enger zu definieren und nicht nur auf die Statuten, sondern auf das faktische Naheverhältnis – etwa durch idente Personen in Organen oder idente Adressen – abzustellen. Ein dazu vorgelegter Abänderungsantrag fand aber keine ausreichende Unterstützung.

FPÖ: Novelle ist “lückenhaft wie ein Fischernetz”

FPÖ-Abgeordneter Christian Ragger begrüßte zwar den neuen Bestellmodus für die Rechnungshofspitze, sprach der ÖVP aber ab, eine echte Änderung des Parteiengesetzes zu wollen. Der vorliegende Entwurf sei “so lückenhaft wie ein Fischernetz”, konstatierte er. Die ÖVP habe 850 Vorfeldorganisationen mit Vereinskonstruktionen und Personenkomitees, in denen nach wie vor Spendengelder aus der Industrie landen können. Solange man das Vereinsgesetz nicht ändere, werde die ÖVP weiterhin so viele Parteispenden “kassieren”, wie sie wolle, prophezeite Ragger. Auch seine Fraktionskollegin Susanne Fürst hält in der Vergangenheit kritisierte Praktiken weiterhin für möglich und sprach von einem “ganz großen Schlupfloch”.

Maurer: Verschärfung des Parteiengesetzes ist Erfolg der Grünen

Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer wies den Vorwurf der FPÖ, wonach parteinahe Vereine künftig unbegrenzt und ohne Kontrolle Geld an Parteien weiterleiten können, allerdings umgehend als “himmelschreiender Blödsinn” zurück, wobei sie für den Ausdruck einen Ordnungsruf von Zweiter Nationalratspräsidentin Doris Bures kassierte. Auch andere Vorwürfe sind ihr zufolge unhaltbar. Schließlich sei künftig jede einzelne Zahlung an eine Partei auszuweisen, das gleiche gelte für Zahlungen von parteinahen Organisationen. Nicht als parteinah klassifizierte Vereine dürften überdies maximal 7.500 € an eine Partei spenden. Auch Umgehungskonstruktionen nach dem Vorbild des Seniorenbundes hält Maurer für ausgeschlossen.

Maurer räumte allerdings ein, dass in Zusammenhang mit parteinahen Vereinen eine Lücke im Parteiengesetz bestehen bleibe. Dieses Problem sei legistisch aber schwierig zu lösen, machte sie geltend. Auch den Vorschlag der NEOS hält sie für unausgegoren, dieser würde die Rechtsunsicherheit verschärfen. Schließlich seien viele Vereine betroffen, da dürfe man nicht einfach “herumdoktern”. Ähnlich argumentierte auch ÖVP-Abgeordneter Friedrich Ofenauer, der auf die wertvolle Arbeit ehrenamtlicher Vereine verwies.

Dass das Parteiengesetz nun verschärft wird, sieht Maurer als Erfolg der Grünen. Jahrzehntelang seien die Finanzen der Parteien “ein gut gehütetes Geheimnis gewesen”, erst vor zehn Jahren hätten die Grünen erste Transparenzschritte bewirkt, meinte sie. Nun würde mit der direkten Prüfbefugnis des Rechnungshofs ein weiterer Meilenstein in der Kontrolle der österreichischen Parteien gesetzt.

ÖVP: Mit Parteiengesetz wird neues Kapitel der Fairness und Transparenz aufgeschlagen

Mit dem vorliegenden Parteiengesetz werde ein neues Kapitel der Fairness und der Transparenz aufgeschlagen, hielt ÖVP-Abgeordneter Andreas Ottenschläger fest. Das passe der FPÖ offenbar nicht, vermutet er. Diese hätte wohl nie eine direkte Kontrollmöglichkeit der Parteien durch den Rechnungshof gewollt und sei nun überrascht, dass sich die ÖVP das “traut”. Seine Fraktion sei aber “in die Offensive gegangen”.

Ausdrücklich lobte Ottenschläger die “konstruktiven” Vorschläge der NEOS im Zuge des Verhandlungsprozesses. Auch einige Anregungen der SPÖ seien aufgenommen worden. Als Kernpunkt des Pakets sieht Ottenschläger die neuen Prüfmöglichkeiten des Rechnungshofs, sollte es Ungereimtheiten bei Finanz- oder Wahlwerbungsberichten geben. Zudem würden künftig alle Zahlenflüsse lückenlos erfasst. (Fortsetzung Nationalrat) gs

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