Bundesratspräsidentin Schumann: Lehrlingsausbildung ist Teil der Lösung des Fachkräftemangels

Veranstaltung der Länderkammer über Lehre als Chance, über aktuelle Herausforderungen und Verbesserungspotentiale

Die Zukunftsperspektiven und Herausforderungen des Lehrberufs sowie vor allem persönliche Erfahrungsberichte aus der Praxis standen im zweiten Teil der heutigen Veranstaltung im Parlament zur Zukunft der Lehre im Mittelpunkt, bei der nicht nur junge Vertreter:innen der Sozialpartnerschaft, sondern auch Auszubildende selbst zu Wort kamen. Bei der Diskussion mit den ebenfalls teilnehmenden Schüler:innen, Pädagog:innen und Bundesrät:innen ging es vor allem um die Frage, was getan werden müsse, damit die Lehre als etwas wirklich Positives wahrgenommen wird. Wie schaut der Status quo aus und was müsse noch verbessert werden?

BERICHTE AUS DER PRAXIS: VON DEN ANFORDERUNGEN AN MODERNE BERUFSSCHULEN BIS HIN ZU SEXISMUS AM ARBEITSPLATZ

Einen exemplarischen Einblick in die Lebenswelten von Lehrlingen gaben drei Jugendliche, die in unterschiedlichen Branchen ihre Ausbildungen absolvieren. So schilderte etwa Beatrix Dietl, dass sie sich zunächst nicht zugetraut habe, eine HTL zu besuchen, obwohl sie Technik schon immer interessiert habe. In der Lehre zur Mechatronikerin sah sie dann aber die Chance, ohne Vorkenntnisse in der Technik-Branche Fuß zu fassen. Sie könne nur alle Mädchen ermutigen, sich mehr zuzutrauen und ebenfalls diesen Weg zu beschreiten. Von der Arbeitgeberseite würde sie sich wünschen, dass nicht nur PR-Kampagnen gemacht werden, sondern dass aktiv gegen Sexismus am Arbeitsplatz vorgegangen wird.

Die angehende Verwaltungsassistentin Sarah Popernitsch hielt es vor allem für wichtig, dass die Lehrlingsausbildung modernen Standards entspricht und mit der Digitalisierung Schritt hält. Während einige Berufsschulen schon sehr vorbildlich seien, würden andere den Anforderungen noch nachhinken. Andre Brunner, der vor kurzem seine Lehre zum Einzelhandelskaufmann im Textilsektor abgeschlossen hat, berichtete unter anderem über die Tätigkeit von Jugendvertrauensräten in den Betrieben. Dabei handle es sich um eine sehr wichtige Anlaufstelle für die Lehrlinge, da sie dort alle ihre Fragen und Sorgen deponieren können. Eine gute Lehrstelle mache aus, dass man mit Respekt und Wertschätzung behandelt werde und dass es ein gutes Miteinander zwischen Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen gebe, schloss sich Brunner den Aussagen seiner Kolleg:innen an. 

VERTRETER:INNEN DER SOZIALPARTNERSCHAFT DISKUTIEREN ÜBER AUSBILDUNGSKULTUR,  FACHKRÄFTEMANGEL SOWIE VERBESSERUNGSPOTENTIALE

Anschließend haben Vertreter:innen der Jungen Wirtschaft, der Österreichischen Gewerkschaftsjugend, der Arbeiterkammer und der Jungen Industrie bei einem Diskussionspanel ihre Positionen und Sichtweisen zum Thema Lehrlingsausbildung präsentiert. Richard Tiefenbacher (Bundesvorsitzender Österreichische Gewerkschaftsjugend) berichtete über die Ergebnisse des sogenannten Lehrlingsmonitors, bei dem mehr als 6.000 junge Menschen befragt wurden. Die Gespräche hätten gezeigt, dass rund ein Drittel der Jugendlichen mit ihrer Ausbildung unzufrieden seien. So würden etwa 34% der Lehrlinge dazu angehalten, unbezahlte Überstunden zu machen. Als weitere Probleme wurden die Verpflichtung zu ausbildungsfremden Tätigkeiten (Stichwort “Wurstsemmel holen”) oder fehlende Ausbildungsdokumentationen angeführt. Massiven Änderungsbedarf sah Tiefenbacher auch hinsichtlich der budgetären Ausstattung, zumal nur 3 € von 100 €, die in das Bildungssystem fließen, für die Berufsschulen ausgegeben werden.

Steven Blaha, der Vorsitzende der Jungen Industrie Niederösterreich, befasste sich mit Fragen der Ausbildungs- und Unternehmenskultur, die entscheidend dazu beitragen würden, Lehrlinge zu finden und Fachkräfte langfristig in den Betrieben zu halten. Im Zentrum stehe für ihn dabei eine hierarchiefreie Kommunikation und eine Führungsarbeit, die darauf abziele, andere erfolgreich zu machen. Lernen sollte man auch aus den zahlreichen Best-Practice-Beispielen, um die Lehre als zukunftsträchtige Option zu präsentieren.

Die Unternehmen seien grundsätzlich sehr motiviert, Lehrlinge auszubilden, konstatierte Bettina Pauschenwein (Bundesvorstandsmitglied der Jungen Wirtschaft). Es werde derzeit händeringend nach engagierten Jugendlichen gesucht, die sich für eine Lehre entscheiden. Im Jahr 2021 habe es sich das erste Mal gezeigt, dass es einen Überhang an offenen Lehrstellen gebe. Sehr kritisch beurteilte Pauschenwein den Vorschlag bezüglich der Einrichtung eines Facharbeitsfonds, da es höchst kontraproduktiv wäre, Betriebe, die keine Lehrlinge finden, noch zusätzlich zu bestrafen.

Im Gegensatz dazu bezeichnete Mario Sägarz, Vorstandsmitglied der Arbeiterkammer Steiermark, den Facharbeitsfonds als eine sehr sinnvolle Idee. Durch die damit lukrierten Mittel könnten seiner Meinung nach viele positive Veränderungen angestoßen und vorangetrieben werden. Als Beispiele führte er die Etablierung einer Berufsdatenbank oder die Einführung einer Zwischen-Lehrabschlussprüfung an. 

Bundesratspräsidentin Korinna Schumann dankte für die interessanten und offenen Redebeiträge. Wenn man aus der heutigen Diskussion etwas mitnehme, dann die Einstellung, “ich bin stolz darauf, dass ich eine Lehre mache”.

Moderiert wurde die Veranstaltung, die in der Mediathek auf der Parlamentswebsite  als Video-on-Demand abrufbar ist, von Eylim Kilic. (Schluss) sue

HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie auf der Website des Parlaments.

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