Bundesrat besiegelt neue Allgemeinmedizin-Ausbildung und Schritte gegen Ärztemangel

Einstimmigkeit für längere Öffnungszeiten und mehr Kompetenzen für Apotheken

Der Bundesrat hat heute die gesetzliche Grundlage für die Einführung der Fachärztin bzw. des Facharztes für Allgemeinmedizin und Familienmedizin einstimmig befürwortet. Für das neue Sonderfach ist eine insgesamt fünfjährige Ausbildung vorgesehen, mit der frühestens ab 1. Juni 2026 begonnen werden kann.

Von allen Fraktionen unterstützt wurden auch Änderungen im Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz, um Problemen des Ärztemangels in der ambulanten medizinisch-therapeutischen Betreuung zu begegnen. Einhellig grünes Licht hat die Länderkammer außerdem für eine Modernisierung der Berufskrankheitenliste gegeben. Mehrheitlich angenommen wurden Änderungen im Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz.

Einstimmig hat sich der Bundesrat zudem für eine Ausweitung der Öffnungszeiten von Apotheken ausgesprochen. Auch einfache Gesundheitstests sollen künftig in Apotheken möglich sein. Mit Mehrheit besiegelten die Bundesrät:innen, dass der Bund künftig jährlich 5 Mio. € für Medikamente zur HIV-Prophylaxe zur Verfügung stellt. Ebenso mehrheitlich sprach sich die Länderkammer für ein Gesetzespaket aus, das die Ausbreitung von Tierseuchen verhindern und Tiergesundheit verbessern soll.

In der Sitzung dazu eingebrachte Anträge der Opposition blieben durchwegs in der Minderheit. So forderte die FPÖ eine “echte Gesundheitsreform” und ein Maßnahmenpaket zur Beseitigung der Medikamentenengpässe. Die SPÖ drängte auf eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung durch Umsetzung der Termingarantie sowie auf eine Umschichtung des Agrarbudgets für einen Umbau der Ställe mit Vollspaltenboden-Haltung.

NEUES SONDERFACH FÜR ALLGEMEIN- UND FAMILIENMEDIZIN

Das neue Berufsbild des Facharztes bzw. der Fachärztin für Allgemeinmedizin und Familienmedizin wurde mit einem Initiativantrag von ÖVP und Grünen auf den Weg gebracht. Das Aufgabengebiet des neuen Sonderfachs umfasst die ganzheitliche, kontinuierliche und koordinative medizinische Betreuung des gesamten menschlichen Lebensbereiches, was auch durch den Zusatz “Familienmedizin” im Titel zum Ausdruck kommen soll. Im Rahmen der fünfjährigen fachärztlichen Ausbildung werden die Mediziner:innen nicht nur Einblick in andere Fächer wie etwa innere Medizin oder Kinder- und Jugendheilkunde erhalten, sondern vor allem auch Erfahrungen im beruflichen Alltag sammeln. Eine Übergangsbestimmung sieht einen stufenförmigen Ausbau der Dauer der Ausbildung in der Sonderfach-Schwerpunktausbildung über mehrere Jahre hinweg vor. Es besteht zudem die Wahlmöglichkeit, alle vor dem 1. Juni 2026 begonnenen Ausbildungen entweder nach dem derzeit geltenden Recht abzuschließen oder in die neue fachärztliche Ausbildung überzutreten.

Im Zuge der Novelle wird außerdem eine langfristige Lösung für jene Ärzt:innen geschaffen, die etwa aus Krisengebieten geflohen sind und die mit einer während der Pandemie geltenden Ausnahmebestimmung seit einiger Zeit im heimischen Gesundheitswesen tätig sind. Das ermöglicht etwa ukrainischen Ärzt:innen, innerhalb von vier Jahren eine Nostrifikation abzuschließen, wenn sie den Antrag dafür bis spätestens Ende 2024 stellen.

Durch diese Novelle würde die Allgemeinmedizin aufgewertet und attraktiver, meinte Günter Kovacs (SPÖ/B) dazu. Er kritisierte aber insgesamt im Gesundheitssystem viele “Baustellen” wie etwa, dass es zu Wartezeiten von einem Jahr auf einen Arzttermin komme. Auch aus Sicht von Andreas Babler (SPÖ/N) brauche es noch einen “Kraftakt” im Gesundheitsbereich, wo einiges schiefgegangen sei.

Klemens Kofler (FPÖ/N) ortet das Grundproblem in der ärztlichen Versorgung etwa darin, dass Kassenverträge nicht lukrativ genug seien. Dadurch entstehe eine massive Abwanderung der Ärzt:innen in andere Länder mit besserer Bezahlung. Außerdem gelte es über die Aufnahmetests an den Unis nachzudenken, um künftig durch mehr Studierende auch mehr Ärzt:innen zu haben. Markus Steinmaurer (FPÖ/O) pflichtete zwar in dem Punkt bei, dass die vorliegende Novelle zu einer Stärkung des Berufsbilds der Allgemeinmediziner:innen und der Primärversorgung führen werde. Dennoch brauche es umfassende weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgung im österreichischen Gesundheitswesen.

Die vorliegende Novelle stelle ein weiteres wichtiges Teilstück der Gesundheitsreform dar, hob Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne/O) hervor. Die vorgesehene vertiefte Ausbildung soll ihr zufolge die Rolle der Allgemeinmediziner:innen in der Gesundheitsversorgung als erste Anlaufstelle für Patient:innen weiter stärken. Sie erhoffe sich dadurch auch einen weiteren Anreiz, diesen Beruf zu ergreifen. Auch Sandra Böhmwalder (ÖVP/N) sieht eine Aufwertung der Allgemeinmediziner:innen “auf Augenhöhe” der Fachärzt:innen. Für Patient:innen würden sich zudem die Wartezeiten verkürzen, wenn sie nicht mehr zu einem anderen Arzt weitergehen müssten.

Die Aufwertung des Berufsbilds der Allgemeinmediziner:innen hob auch Gesundheitsminister Johannes Rauch hervor. In der Anpassung der Ausbildungsdauer werde es auch Einblicke in andere Fächer und damit wertvolle Erfahrungen geben. Was die Gesundheitsreform insgesamt betrifft, gestalte sich diese aufgrund der Komplexität des österreichischen Gesundheitssystems herausfordernd. Rauch wies aber darauf hin, dass es etwa erstmals 300 Mio. € pro Jahr für die Sozialversicherung für zusätzliche Leistungen und einen einheitlichen Leistungskatalog gebe. Grundsteine für Verbesserungen im System seien zudem etwa im niedergelassenen Sektor und in der Primärversorgung geschaffen worden.

LISTE DER BERUFSKRANKHEITEN WIRD AKTUALISIERT

Mit einer ASVG-Novelle wird die Berufskrankheitenliste nunmehr um vier Krankheitsbilder erweitert, während Erkrankungen durch Thomasschlackemehl mangels Relevanz gestrichen werden. Damit umfasst die Liste künftig 73 Krankheiten. Auch Personen, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes an einer der neu aufgenommenen Berufskrankheiten erkrankt sind, sollen ab März 2024 Anspruch auf Leistungen der Unfallversicherung haben. Gleiches gilt für Hinterbliebene der betroffenen Personen.

Etwa für Bauarbeiter:innen sei wichtig, dass Berufskrankheiten wie weißer Hautkrebs nun auf die Liste dazugekommen seien, hob Horst Schachner (SPÖ/St) hervor. Insgesamt fehlen aus seiner Sicht aber immer noch Leiden am Bewegungs- und Stützapparat oder psychische Erkrankungen, die ihm zufolge ebenso in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen werden sollten.

NOVELLIERUNG DES KRANKENANSTALTEN- UND KURANSTALTENGESETZES

Mit der Novellierung des Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetzes soll eine bessere ärztliche Versorgung im Bereich der ambulanten medizinisch-therapeutischen Betreuung sichergestellt werden. Aus diesem Grund soll in allen Bereichen, wo fast ausschließlich nicht-ärztliche therapeutische Leistungen erbracht werden, keine dauerhafte Anwesenheit von Ärzt:innen erforderlich sein.

Die besiegelten Änderungen im Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz wiederum zielen im Wesentlichen auf die Verlängerung von Bestimmungen zu COVID-19-Tests und zur Abgabe von Heilmitteln ab. Günter Kovacs (SPÖ/B) ortete in der Novelle eine rückwirkende Nachbesserung und kritisierte, dass “Planlosigkeit” der Bundesregierung nicht auf dem Rücken der Patient:innen ausgetragen werden dürfe.

MEHR KOMPETENZEN FÜR APOTHEKEN UND LÄNGERE ÖFFNUNGSZEITEN

Mit der Novelle des Apothekengesetzes dürfen Apotheken künftig bis zu 72 Stunden pro Woche – statt wie bisher 48 Stunden – offenhalten, und zwar werktags zwischen 6.00 Uhr und 21.00 Uhr und samstags zwischen 6.00 Uhr und 18.00 Uhr. Außerdem wird es ihnen gestattet, in ländlichen Regionen Abgabestellen für Medikamente mit eingeschränktem Angebot und eingeschränkten Öffnungszeiten einzurichten, wenn es im Ort keine Apotheke gibt. Auch einfache Gesundheitstests wie Blutzuckermessungen oder Analysen von Harnproben dürfen Apotheken in Zukunft anbieten und dafür etwa Blut aus der Fingerkuppe entnehmen. Erleichtert wird die Gründung von Filialen. Für neue Apotheken-Konzessionen wird eine Altersgrenze eingezogen.

Marco Schreuder (Grüne/W) sieht in der Novelle einen wichtigen Schritt, um die Gesundheitsversorgung in Österreich zu verbessern. Die wichtigsten Punkte seien dabei etwa die Medikamentenanalyse oder Tests durch die Apotheke, aber auch die Zustellung von Arzneimitteln für immobile Patient:innen zu ermöglichen. Vor allem für die Versorgung in ländlichen Regionen könne es nunmehr auch Abgabestellen und Filialapotheken geben. Günther Ruprecht (ÖVP/St) schloss sich dem an und betonte die bessere Versorgungsmöglichkeit vor allem im ländlichen Raum. Ein wesentlicher Punkt sei auch die Ausweitung der Öffnungszeiten.

Endlich würden Lösungen für unterversorgte Gemeinden im Apothekenbereich gefunden, zeigte sich auch Christian Fischer (SPÖ/N) überzeugt. Ähnlich wie Günter Pröller (FPÖ/O) sah er aber ihm zufolge nach wie vor bestehende Medikamentenengpässe kritisch. Die nunmehrigen Regelungen für Apotheken erachtet aber auch Pröller als wesentlichen Beitrag zur Versorgung der Bevölkerung.

Was Medikamentenengpässe betrifft, hielt Gesundheitsminister Rauch dem unter anderem entgegen, dass in Kundl ein Hersteller europaweit die meisten Antibiotika produziere. Beste Standortpolitik sei hier gewesen, 50 Mio. € zur Erweiterung dieses Werks zur Verfügung zu stellen, zumal das Unternehmen zusätzlich 500 Mio. € investiere. Zudem wies er etwa auf Maßnahmen auf europäischer Ebene hin.

5 MIO. € FÜR MEDIKAMENTE ZUR HIV-PROPHYLAXE

Durch eine Novelle zum Gesundheitsreformmaßnahmen-Finanzierungsgesetz wird der Bund künftig 5 Mio. € pro Jahr zur Eindämmung von HIV-Infektionen zur Verfügung stellen. Alle krankenversicherten Personen, die antivirale Medikamente zur Prävention einer HIV-Infektion, so genannte PreP, erwerben, erhalten ab 1. April 2024 einen Zuschuss in Höhe der tatsächlichen Kosten, maximal aber 60 €. Außerdem ist geplant, dafür nötige ärztliche Beratungsgespräche mit 25 € pro Quartal zu unterstützen. Im Nationalrat war durch einen Abänderungsantrag unter anderem eine weitere Konkretisierung der Zuschusshöhe erfolgt, um auszuschließen, dass Zuschüsse für den persönlichen Bedarf übersteigende Medikamente geleistet werden.

VERHINDERUNG DER AUSBREITUNG VON TIERSEUCHEN

Mit der Veterinärrechtsnovelle 2024 soll insbesondere die Ausbreitung von Tierseuchen verhindert und die Tiergesundheit verbessert werden. Kernstück des Gesetzespakets ist ein neues Tiergesundheitsgesetz, in dem bisher in verschiedenen Gesetzen verstreute Seuchenbekämpfungsmaßnahmen gebündelt werden. Gleichzeitig werden neue Möglichkeiten der Seuchenbekämpfung geschaffen und die sachlichen Behördenzuständigkeiten neu strukturiert.

Präventive Vorschriften zur Erhaltung der Tiergesundheit können künftig nicht nur für gewerbliche Betriebe oder im Wildtierbestand, sondern auch für nicht gewerbliche Tierhaltungen angeordnet werden. Außerdem enthält das Gesetz Entschädigungsregelungen für getötete oder verendete Tiere und für Erwerbsbehinderungen sowie nähere Bestimmungen für die Ausstellung von Heimtierausweisen und für die Einrichtung eines Dachverbands “Tiergesundheit Österreich”. In Kraft treten soll das Gesetzespaket mit 1. Juli 2024, wobei für einzelne Bestimmungen die Zustimmung der Länder erforderlich ist. (Fortsetzung Bundesrat) mbu

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.

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