Wie Rattengift unsere Artenvielfalt zerstört

Besonders gefährliches Gift immer häufiger im Einsatz

RATTENGIFT IST PERSISTENT, BIOAKKUMULIEREND UND TOXISCH

Rattengifte bedeuten erhebliche Probleme für unsere Umwelt, die Biodiversität und letztlich auch die menschliche Gesundheit. In der EU unterscheidet man aktuell zwischen zwei Kategorien: Rattengifte der 1. und der 2. Generation. Vor allem die Giftigkeit unterscheidet sich. Während Wirkstoffe der 1. Generation mehrmals aufgenommen werden müssen, bis ein Tier daran verstirbt, sind Wirkstoffe der 2. Generation um einiges toxischer, sodass meist bereits eine Dosis genügt. Die zugelassenen Rattengifte setzen dafür auf Blutgerinnungshemmer. Nach etwa 3 bis 7 Tagen sterben die Tiere dadurch an inneren Blutungen. Die Zeitverzögerung soll verhindern, dass die klugen Nager lernen, gewisse Fallen zu meiden. Anhand der zugelassenen Produkte geht man davon aus, dass zunehmend mehr Gifte der 2. Generation im Umlauf sind. 

VERGIFTUNGEN UND UMWELTRISIKOS ÜBERALL WO RATTENGIFT AUSGEBRACHT WIRD

Mittlerweile geht man außerdem davon aus, dass überall wo Rattengifte im Einsatz sind, auch Nicht-Zieltiere vergiftet werden. Entweder indem die falschen Tiere an die Köder gelangen (z.B. Feldhamster (mehr dazu HIER)), oder indem Beutegreifer vergiftete Tiere fangen und fressen. Bei letzterem spricht man von Sekundärvergiftungen. Eulen- und Greifvögel (z.B. Schleiereulen, Waldkäuze, Kuckuckskäuze, Mäusebussarde und Steinadler) sind dabei ebenso betroffen, wie räuberische Säuger (z.B. Igel, Nerze, Wiesel, Iltisse und Füchse). Durch ihre bioakkumulierende Wirkungsweise sind besonders Giftstoffe der 2. Generation für Sekundärvergiftungen verantwortlich.

Besonders tückisch: Sekundärvergiftungen können auch Tiere treffen, die weit größer und schwerer sind als ein einzelner Nager und damit eine erheblich größere Menge an Gift überleben würden. Während die Gift-Konzentration in einer gefressenen Maus vielleicht wenig Auswirkungen auf einen Fuchs hätte, sieht es nach 10-15 gefressenen Mäusen (die geschätzte Futtermenge pro Tag und Fuchs) schon anders aus. Wenn Köder in einem Gebiet ausgelegt werden, erhöht sich dort die Anzahl der vergifteten Nager und damit auch die Wahrscheinlichkeit vergiftete Beute zu fangen stark.

ACHTUNG: BESONDERS GEFÄHRLICHES GIFT VERMEHRT IM EINSATZ!

Wenig überraschend haben Untersuchungen gezeigt, dass Rattengifte auch für uns Menschen gefährlich sind. Heute weiß man, dass alle aktuell zugelassenen Wirkstoffe, egal welcher Generation, reproduktions- oder zielorgantoxisch oder beides sind. Das bedeutet, dass nicht nur einzelne Organe, sondern auch ungeborene Kinder geschädigt werden können.

ÖSTERREICHS WILDTIERE SIND SCHWER VON RATTENGIFT BELASTET

Während andere Länder schon seit Jahren Monitoring zum Einfluss von Rodentiziden auf die Umwelt betreiben, wurde 2020 endlich auch in Österreich die erste offizielle Studie vom Umweltbundesamt dazu veröffentlicht. In Zweidrittel der untersuchten Füchse, Eulen und Greifvögel konnten mindestens einer, häufig jedoch mehrere Wirkstoffe der 2. Generation nachgewiesen werden. Bei etwa einem Drittel der Vögel und 16 % der Füchse waren die Konzentrationen so hoch, dass negative Auswirkungen wahrscheinlich sind. Außerdem wurde auch erstmalig für Österreich eine Belastung von heimischen Fischbeständen mit Rattengiften erfasst. Die zunehmende Ansammlung der Stoffe innerhalb der Nahrungskette dürfte also auch bei aquatischen Lebewesen und Fischfressern (z.B. Fischottern) zum Problem werden.

Dabei ist leider noch immer nicht bekannt, wie viel Rattengift pro Jahr überhaupt bei uns verkauft wird. Die am häufigsten zugelassenen Produkte enthalten Wirkstoffe der 2. Generation, sind also besonders schädlich für Mensch, Tier und Umwelt. Auch Restbestände bereits verbotener Stoffe sind mancherorts noch im Einsatz und werden teilweise sogar gezielt für die Vergiftung von Wildtieren eingesetzt (mehr zu Österreichs Wildtierkriminalität HIER).

RATTENGIFT IST NUR AUS MANGEL AN ALTERNATIVEN ZUGELASSEN

In der EU wird der Einsatz von Rattengiften durch die Biozidprodukt-Verordnung geregelt. Für jede Zulassung eines neuen Stoffes muss dabei eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden. Doch aktuelle besteht keines der zugelassenen Präparate dieses Prüfverfahren. Auch Neuzulassungen scheiterten routiniert daran. Damit stellt sich die Frage, warum die Wirkstoffe trotzdem im Einsatz sind.

Tatsächlich sind Rattengifte einzig aus Mangel an Alternativen zugelassen. Laut der Biozidprodukt-Verordnung dürfen bei einem Mangel an Alternativen auch hoch problematische Stoffe unter zusätzlichen Auflagen zugelassen werden. Mit der Verschärfung der Biozidprodukt-Verordnung 2018 wurden diese Auflagen vereinheitlicht. Danach dürften europaweit bestimmte Wirkstoffe nur mehr von ausgebildetem Personal ausgebracht werden. Auch die Anwendungsregelungen, also ob, wo und wie Gifte ausgebracht werden, haben sich formal verändert. Außerdem müssten zusätzliche Maßnahmen zur Risikoreduktion umgesetzt werden.

Soweit die Theorie. Doch wie so oft hinkt die Praxis der Theorie leider weit hinterher. Eine effektive Rattenbekämpfung gehört zu den Hauptdisziplinen der Schädlingsbekämpfungsfirmen. Trotzdem liest sich bei Anforderungsprofilen für Kammerjäger:innen meist bloß, dass eine Grundausbildung in der Schädlingsbekämpfung von Vorteil sei. Das führt dazu, dass Schädlingsbekämpfungsfirmen in der Regel auch zu wenig oder schlecht geschultes Personal einsetzen. Ob sich das in absehbarer Zeit verändert, wird sich zeigen.

VERGIFTETE TIERE STERBEN LANGSAM UND UNSICHTBAR

Das Umweltbundesamt in Deutschland kritisiert weiters, dass nur chemische Lösungen bei Alternativprüfungen in Betracht gezogen werden. Wenn richtig konstruiert und angewendet, könnten aber sogar Totschlagfallen tierfreundlicher sein als Gifte. Wegen der blutgerinnenden Wirkung der Präparate dauert der Todeskampf bei einer Rattengiftvergiftung oft mehrere Tage, bis die Tiere unter erheblichen Schmerzen verenden. In einer Todschlagfalle tritt der Tod in der Regel deutlich schneller ein.

Zudem verändert der Einsatz von Gift die menschliche Wahrnehmung. Die vergifteten Tiere verkriechen sich und sterben langsam und unsichtbar in ihren Verstecken. Ähnlich wie bei abgepacktem Fleisch aus dem Supermarkt, verschwindet der Tötungsprozess damit aus dem Bewusstsein der Anwendenden und der Griff zum Rattengift wird deutlich leichter. Bei Totschlagfallen hingegen müssen die Kadaver entfernt werden. Die Tötung und das damit einhergehende Leid werden damit wieder aktiv wahrgenommen.

RATTENGIFT MUSS DIE LETZTE WAHL SEIN

Unbestritten ist, dass vor dem Einsatz von Giften, alle anderen denkbaren Maßnahmen ergriffen werden müssen, um einen Nagetierbefall zu verhindern und einzudämmen. Schon jetzt wird eine ganze Liste an Alternativen empfohlen. Besonders wichtig ist es, potenzielle Nahrungsquellen, dazu gehören auch Abfallreste und Tierfutter, unzugänglich aufzubewahren. Durch das Beseitigen von baulichen Problemen, wie undichte Kanalrohre, werden den Nagern Fortpflanzungsstätten und Verstecke genommen (weitere Hinweise finden Sie HIER).

RATTENVERORDNUNG IN WIEN MUSS GEÄNDERT WERDEN

“Wir von Tierschutz Austria machen schon lange auf die Probleme von Rattengift aufmerksam. In Wien werden unter anderem auch die streng geschützten und vom Ausstreben bedrohten Feldhamster nachweislich durch Rattengifte getötet. Wir fordern daher dringend eine Überarbeitung der Wiener Rattenverordnung. Mit der Unterstützung engagierter Wiener:innen haben wir dafür eine Petition bei der Stadt Wien eingebracht und werden am Thema dranbleiben.”, so Tierschutz Austria Präsidentin MMag.a Dr.in Madeleine Petrovic.

Tierschutz Austria
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