ORF-„matinee“ zum „Tag der Befreiung“: Dokus „Klassik unterm Hakenkreuz“ und „Ans Ende der Welt – Victor Urbancic in Island“

Außerdem: „Ikonen Österreichs – Figls Sessel beim Staatsvertrag“ und „Die Kulturwoche“ – am 5. Mai ab 9.05 Uhr in ORF 2

Wien (OTS) – Die „matinee“ am Sonntag, dem 5. Mai 2024, um 9.05 Uhr in ORF 2 zeigt im Rahmen des ORF-Schwerpunkts zum 79. „Tag der Befreiung“ (Details unter presse.ORF.at) am 8. Mai, mit dem der Kapitulation der deutschen Wehrmacht und damit der Befreiung vom Nationalsozialismus sowie dem Kriegsende in Europa gedacht wird, zwei themenaffine Dokumentationen. Zunächst geht der Film „Klassik unterm Hakenkreuz – Der Maestro und die Cellistin von Auschwitz“ der Bedeutung der klassischen Musik im sogenannten „Dritten Reich“ nach. Im Zentrum stehen die deutsche Jüdin Anita Lasker-Wallfisch, die nur dank ihrer musikalischen Begabung Auschwitz überlebte, und der international gefeierte deutsche Stardirigent Wilhelm Furtwängler, der sich mit dem Hitler-Regime arrangierte. Danach beleuchtet die Produktion „Ans Ende der Welt – Victor Urbancic in Island“ (10.00 Uhr) das Schicksal des österreichischen Komponisten, den es im Zuge seiner Flucht vor den Nationalsozialisten nach Island verschlagen hatte. Nach einer Ausgabe der Kurzreihe „Ikonen Österreichs“ (10.30 Uhr) über „Figls Sessel beim Staatsvertrag“ präsentiert „Die Kulturwoche“ (10.40 Uhr) zum Abschluss des ORF-Kulturvormittags Berichte und Tipps zum aktuellen kulturellen Geschehen.

„Klassik unterm Hakenkreuz – Der Maestro und die Cellistin von Auschwitz“ (9.05 Uhr)

Warum war klassische Musik für Hitler und Goebbels so wichtig? Neben Ludwig van Beethoven, Johann Sebastian Bach oder Anton Bruckner hatte Richard Wagner als Hitlers Lieblingskomponist einen besonders hohen Stellenwert. Deutsche Musik sollte die Vormachtstellung des „Dritten Reiches“ in der Welt legitimieren und von den Untaten der Nationalsozialisten ablenken. Adolf Hitler war sich der Macht der Musik bewusst und Propagandaminister Joseph Goebbels kontrollierte das Musikleben im NS-Staat, in dem jüdische Künstler:innen keinen Platz mehr hatten. So wurden die Berliner Philharmoniker zum staatlichen „Reichsorchester“.
Die Hauptpersonen des Films sind zwei Menschen, die auf sehr unterschiedliche Weise für die Musikkultur im Nationalsozialismus stehen: Stardirigent Wilhelm Furtwängler und die Cellistin des Frauenorchesters in Auschwitz-Birkenau, Anita Lasker-Wallfisch. Hier ein Dirigent, der weltweit gefeiert wurde, der mit Hitler und seinen Helfern ein Bündnis einging. Dort eine junge Frau, die als deutsche Jüdin nach Auschwitz verschleppt wurde und nur dank ihrer musikalischen Begabung überlebte. Beide waren von der Nazi-Diktatur betroffen: Furtwängler entschied sich in Deutschland zu bleiben und paktierte mit den Nationalsozialisten. Lasker-Wallfisch dagegen versuchte im brutalen Alltag des Vernichtungslagers zu überleben, wobei das Cello ihre Lebensversicherung war. Beide verband die Liebe zur klassischen Musik, die sowohl in der Berliner Philharmonie, beim Reichsparteitag in Nürnberg oder auch in Auschwitz-Birkenau zu hören war.
Warum gingen begnadete Künstler wie Furtwängler einen Pakt mit dem Bösen ein? Warum wurde in Todeslagern Musik gespielt? Und wie veränderte sich für die Opfer ihr Blick auf die Musik?
In der Dokumentation von Christian Berger kommen unter anderem die Dirigenten Daniel Barenboim und Christian Thielemann, die Kinder von Wilhelm Furtwängler und natürlich die 98-jährige Cellistin Anita Lasker-Wallfisch zu Wort. Es sind besonders ihre Erinnerungen, die unter die Haut gehen. Historisches Filmmaterial, das für den Film restauriert und koloriert wurde, macht Geschichte greifbar und legt Zeugnis ab über eine dramatische Zeit.

„Ans Ende der Welt – Victor Urbancic in Island“ (10.00 Uhr)

1938 mussten der österreichische Komponist Victor Urbancic und seine jüdische Frau, die Lyrikerin und Bildhauerin Melitta Grünbaum, das Land verlassen. Gemeinsam mit ihren drei Kindern konnten sie nach Island emigrieren. Dass die Insel im hohen Norden Europas bis zu ihrem Lebensende ihre Heimat bleiben würde, wussten sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Die Dokumentation von Stephan Herzog gibt einen Einblick in die bewegte Geschichte der Familie.
Die Arbeit in seiner neuen Heimat war mit jener in Österreich kaum vergleichbar. Urbancic, der bereits an großen Häusern dirigiert hatte, leistete in Island während seiner Tätigkeit als Musikschullehrer vorerst Basisarbeit. Er kopierte Noten händisch oder transkribierte nicht verfügbare Stücke von Schallplatten und bereiste auf schlechten Straßen sowie per Schiff das Land, um Sänger:innen für seine Projekte zu finden. Später war er zudem musikalischer Leiter des Nationaltheaters und Leiter des Chorverbandes. Als solcher sammelte er isländische Volkslieder und arrangierte sie für gemischten Chor. Seine Frau Melitta, die neben ihrer Arbeit als Bildhauerin auch als Schriftstellerin und Bienenzüchterin tätig war, übersetzte die Volksliedtexte auf Deutsch und Englisch, wodurch sie mehrsprachig aufführbar wurden.
Im Mai 2023, anlässlich des 120. Geburtstags von Victor Urbancic, begab sich der Kammerchor des Johann-Joseph-Fux Konservatoriums Graz auf eine musikalische Spurensuche: Unter der Leitung von Franz M. Herzog reisten die Sänger:innen nach Island, um dort gemeinsam mit dem Chor der Musikhochschule Reykjavík Musik von Victor Urbancic aufzuführen.
Sibyl Urbancic, die mittlerweile 86-jährige Tochter von Victor und Melitta, begleitete das Projekt. Sie besuchte den Chor bei den Proben, half beim Erlernen der isländischen Texte und flog mit nach Island. Sibyl Urbancic ist eine begeisternde Erzählerin, und so erfahren die Gäste von ihr mehr über das Schaffen und Leben ihrer Eltern.

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