Die Debattenbeiträge bei der AK-Vollversammlung

10. Vollversammlung der XV. Funktionsperiode

Linz (OTS) – Zum zehnten und letzten Mal in dieser Funktionsperiode
tagte heute die Vollversammlung der Arbeiterkammer Oberösterreich.
Bei der Debatte zum Referat von AK-Präsident Dr. Johann Kalliauer
sowie zu den eingebrachten Anträgen und Resolutionen meldeten sich 16
Vertreter/-innen der Fraktion Sozialdemokratischer
GewerkschafterInnen (FSG), vier Vertreter des Österreichischen
Arbeiternehmerinnen- und Arbeitnehmerbundes (ÖAAB), drei der
Alternativen, Grünen und Unabhängigen GewerkschafterInnen (AUGE/UG),
zwei Vertreter der Freiheitlichen Arbeitnehmer (FA) sowie der
Kammerrat des Gewerkschaftlichen Linksblocks (GLB) zu Wort.

Die Debatte eröffnete Kammerrat Thomas Erlach (GLB). Er beklagte
die Respektlosigkeit vieler Arbeitgeber sowie die schlechte
Verteilung von Arbeitszeit und Einkommen und forderte Strafen für
unbezahlte Überstunden. Wenn die Rechte der Arbeitnehmer/-innen
weiter beschnitten würden, damit die Unternehmen bei minimalen
Sozialstandards maximale Gewinne einfahren können, sei noch
massiverer Widerstand notwendig. Der große Angriff der Regierung auf
die Arbeitnehmer/-innen erfordere große Maßnahmen: Darum sei es
höchste Zeit für einen Generalstreik, so Erlach.

Als nächster Redner meldete sich Fraktionsvorsitzender Martin
Gstöttner (AUGE/UG) zu Wort. Er danke AK-Präsident Kalliauer für die
konstruktive Zusammenarbeit in den vergangenen fünf Jahren. Der
ÖAAB-Fraktion schenkte er eine Bibel, damit sie nicht auf die
christlichen Werte vergisst. Und den Freiheitlichen Arbeitnehmern
überreichte er die UN-Menschenrechtskonvention. Alle Fraktionen rief
er auf, über die Parteigrenzen hinweg gegen eine Bundesregierung
aufzutreten, die von der Industriellenvereinigung bezahlt werde und
gegen die Interessen der Arbeitnehmer/-innen agiere.

Kammerrat Andreas Wansch (FSG) kritisierte die Lügen der
Bundesregierung rund um die geplante Reform der
Sozialversicherungsträger. Die Harmonisierung der Leistungen nannte
er neue „Drei-Klassen-Medizin“. Wer den Eid auf die AK geschworen
habe und dem Wohle der Arbeitnehmer/-innen verpflichtet sei, könne
der Zerschlagung der Selbstverwaltung, der Entmachtung der
Arbeitnehmervertreter/-innen und der Verschlechterung der
Versicherungsleistungen nicht zustimmen.

Fraktionsvorsitzender Andreas Stangl (FSG) sprach von einer
vertanen Chance rund um die Resolution „Die Sozialversicherung als
tragende Säule des österreichischen Sozialstaates darf nicht durch
ein Gesetz gefährdet werden“. Er appellierte an den ÖAAB und die FA,
die – anders als in der AK Wien – diese Resolution nicht
miteingebracht haben, zum Umdenken bei der Abstimmung. Es sei
wichtig, ein gemeinsames Signal zu setzen und die Interessen der
Arbeitnehmer/-innen zu vertreten – und nicht jene der
Wirtschaftskammer.

AK-Vizepräsidentin Elfriede Schober (FSG) betonte die Wichtigkeit
des qualitätsvollen Ausbaus der Kinderbetreuung in Oberösterreich. In
typischen Frauenberufen gebe es keine Jobs, die Arbeitszeiten von
acht bis zwölf Uhr haben. Mit den Veränderungen der Arbeitszeiten
habe der qualitative Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen in
Oberösterreich nicht mitgehalten. Viele Frauen, insbesondere
Alleinerzieherinnen, könnten dadurch Beruf und Kinderbetreuung nicht
mehr unter einen Hut bringen. Im Österreichvergleich liege
Oberösterreich immer noch auf den hinteren Rängen und in vielen
Fällen würden Familien bei den Bedarfserhebungen nicht ausreichend
befragt.

Gerhard Knoll (FA) kritisierte am Bericht des Präsidenten, er habe
eine einseitige Sichtweise an den Tag gelegt und für die
Arbeitnehmer/-innen wichtige und positive Beschlüsse der aktuellen
Bundesregierung nicht erwähnt – etwa den Familienbonus oder die
Pensionserhöhung. In Bezug auf den Antrag der FA „Quo vadis
Sozialstaat Österreich?“ forderte er die AK auf, eine seriöse Studie
zu den Kosten zu machen. Der von allen anderen Fraktionen
eingebrachten Resolution zum Verbot von Werbung ungesunder
Lebensmittel, die sich an Kinder richtet, würden die FA nicht
zustimmen, da Verbote rechtlich problematisch seien und man ohnehin
nicht alles verbieten könne. Man müsse die Zeit das Problem selbst
regeln lassen.

Kammerrat Karl Kapplmüller (ÖAAB) zeigte sich verwundert, dass
freiheitliche Kammerräte behaupten, mit dem neuen Arbeitszeitgesetz
hätte sich nichts geändert. Wer das sage, sei nicht bei den
Arbeitnehmern/-innen. Er sprach sich auch gegen die
Verschlechterungen bei der Altersteilzeit und die Zerschlagung der
Mitbestimmung bei der Sozialversicherung aus. Er kündigte an, für die
nächste Wahl nicht mehr für den ÖAAB zu kandidieren: Mit dem, was in
der türkisen Regierung mit August Wöginger an vorderster Front
passiere, könne er nicht mehr mit.

Kammerrätin Sabine Ameshofer (FSG) wies darauf hin, dass beim
Arbeitnehmerschutz oft zu wenig an Frauen gedacht wird. So seien zum
Beispiel Kosmetikerinnen mit Weichmachern im Nagellack konfrontiert,
die Unfruchtbarkeit und Krebs hervorrufen können. Auch Kinderlärm
könne eine psychische Belastung sein. Bei einem Hitzearbeitsplatz
denke man an den Hochofen, aber nicht an die Saunameisterin. Wir
müssen den Arbeitnehmerschutz auch in diese Richtung
weiterentwickeln, forderte sie.

Für Kammerrätin Beatrix Soder (FSG) ist es unbegreiflich, in
welchem Stil bei den Änderungen in der Sozialversicherung vorgegangen
wird. Es werde für Arbeitnehmervertreter/-innen sogar einen Test
geben, mit dem sie beweisen müssen, dass sie für die Funktion, die
sie bereits jahrelang ausüben, geeignet sind. Sie frage sich, ob die
Umstrukturierung der Sozialversicherung nicht auf eine
Beitragssenkung für Arbeitgeber hinausläuft, die von den
Arbeitnehmern/-innen mit kommenden Selbstbehalten finanziert werden
soll. Soder sprach sich auch gegen die Abschaffung der Notstandshilfe
aus.

Sepp Wall-Strasser (FSG) stellte fest, dass angeblich alle für
eine gerechte Steuerverteilung seien. Tatsächlich gäbe es eine
massive Schieflage im Steuersystem – vor allem zu Lasten der
Arbeitnehmer/-innen. Wie fatal sich Steuerreduzierungen bei den
Vermögenden auswirkten, zeige die Senkung der Körperschaftssteuer
unter Schwarz-Blau 1. Dadurch sei uns in den letzten 15 Jahren eine
Milliarde Euro entgangen, mit der viel Bedeutendes in unserer
Gesellschaft finanziert hätte werden können, wie etwa im Pflege- oder
Bildungsbereich.

Thomas Erlach (GLB) nahm Bezug auf die hohe Arbeitslosigkeit unter
begünstigt behinderten Menschen in Österreich. Sie seien
überproportional davon betroffen. Verschärft würde diese Problematik
noch durch die Verschlechterungen des Kündigungsschutzes. Es gäbe
zwar Ausgleichstaxen und Strafzahlungen – viele Unternehmer würden
diese aber lieber in Kauf nehmen, als behinderte Menschen
einzustellen. Er forderte die Verdoppelung der Strafen.

Stefan Bauer (FSG) sprach über den drohenden Pflegenotstand.
Angeblich würden in Oberösterreich in den nächsten Jahren 1600
Pflegekräfte fehlen. In Wirklichkeit gebe es aber jetzt schon einen
Pflegenotstand, vor allem außerhalb des Zentralraumes. Ganze
Abteilungen in Häusern würden geschlossen, weil Personal fehle. Die
geforderte Einführung von Lehrberufen in der Pflege sei keine Lösung.
Jugendliche wären mit diesen Tätigkeiten vielfach überfordert.
Vielmehr brauche es höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und gute
Angebote zur Umschulung in den Sozialberuf.

Branko Novakovic (FSG) forderte zu einem offenen Diskurs zwischen
den Fraktionen auf. Wer die Resolution über die Sozialversicherung
ablehne, stimme für die Aufhebung der Selbstverwaltung. Und die
Ablehnung der Resolution über den Ausbau der Kinderbetreuung treffe
stark die Arbeitskräfte im Gesundheits- und Sozialwesen. Dort werde
hohe Flexibilität gelebt, was sich aber nicht damit vereinbaren
lasse, dass der Kindergarten um 16 Uhr schließe. Dem Gesundheits- und
Sozialwesen gingen dadurch viele Arbeitskräfte verloren. Beim
FA-Antrag „Quo vadis Sozialstaat?“ frage er als Migrant sich, ob
Migranten/-innen wirklich nur eine Belastung seien Österreich oder
auch Positives für Österreich leisteten

Sonja Reitinger (FSG) betonte, dass der geschworene Eid alle
Mitglieder der AK-Vollversammlung verpflichte, die Interessen der
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bestmöglich zu vertreten. Es wäre
deshalb nicht verständlich, wenn Kammerrätinnen und Kammerräte gegen
eine Resolution stimmten, die unter anderem eine
Arbeitszeitverkürzung, eine sechste Urlaubswoche für alle sowie einen
Rechtsanspruch auf eine Vier-Tage-Woche, auf Altersteilzeit und auf
Bildungskarenz verlange.

Martina Blutsch (FSG) wies darauf hin, dass schon die Bezeichnung
„Zwangsüberlassung“ für die geplante Unterstellung der
Sozialversicherungsprüfer/-innen unter die Fach- und Diensthoheit des
Finanzministeriums viel über den Geist der sogenannten Reform
verrate. Kollege Knoll von den FA habe lobend erwähnt, dass nun jede
E-Card mit einem Foto versehe werde. Doch dafür werde das
Jahrhundertwerk Sozialversicherung zerstört.

Walter Haberl (FSG) wünschte sich, dass sich auch nach dem bald
beginnenden Wahlkampf alle in die Augen schauen können. Und er
richtete an alle Kammerräte/-innen, die mit einer Kürzung der
AK-Umlage oder gar einer Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft
liebäugeln, die Mahnung: „Wer die AK schwächt, unterstützt nur die
Interessen der Wirtschaft und Industrie.“ Zuvor übte er heftige
Kritik an anderen Fraktionen, speziell den FA, dass sie heute ganz
anders agieren würden als vor fünf Jahren, am Beginn der
Legislaturperiode. Als Beispiel zitierte er einen freiheitlichen
Antrag aus 2014, der „Asylwerber gerecht behandeln“ hieß.

Gerhard Dober (AUGE) stimmte bedenklich, dass ein
Fraktionssprecher einem anderen Fraktionssprecher öffentlich wünsche,
dass dieser in der nächsten Periode nicht mehr in diesem Haus
vertreten sei. Anfangs hatte nämlich Christian Bangerl (FA) das
Anliegen deponiert, dass die Grünen künftig nicht mehr in der
AK-Vollversammlung sein sollen. Ihm täte weh, dass man 100 Jahre nach
Gründung der Demokratie in Österreich eine solche Sprache pflege, so
Dober. Außerdem dankte er für die Zusammenarbeit in der AK und
wünschte sich zu seinem Abschied als Kammerrat: „Passen wir auf den
Sozialstaat auf!“

Franz Brunnmair (ÖAAB), er ist selbst im Krankenhaus-Bereich
tätig, dankte allen zuständigen AK-Mitarbeiterinnen und
AK-Mitarbeitern für die seiner Meinung nach sehr professionelle
Abwicklung der Registrierung der in Gesundheit und Pflege
Beschäftigten. Die AK ist ja seit 1. Juli 2018 für das neue
Gesundheitsberuferegister zuständig.

Vizepräsident Helmut Feilmair (ÖAAB) ersuchte um Zustimmung zur
ÖAAB-Forderung, den Beitragssatz zur Abfertigung neu auf 2,5 Prozent
anzuheben. Die aktuellen 1,53 Prozent seien viel zu wenig, um
Ansprüche in Höhe der Abfertigung alt zu erreichen. In Anspielung auf
das Bibelgeschenk an den ÖAAB sagte der scheidende Vizepräsident, in
der Bibel stünde vieles, was für eine christlich-soziale Partei
notwendig wäre und was früher auch möglich war. Und er plädierte für
die Wiederbelebung einer Sozialpartnerschaft, die das Gemeinsame vor
das Trennende stellt.

Helmut Zauner (FSG) sprach sich entschieden gegen eine
Ausgabenbremse in der Krankenversicherung aus. Diese werden die
Versicherten in Form einer schlechteren Infrastruktur und weniger
Leistungen zu spüren bekommen. Stattdessen werde als Erfolg gefeiert,
dass die E-Card in Zukunft ein Foto aufweisen werde. Das werde mehr
kosten als es bringt. Hier seien die Prioritäten völlig falsch
gesetzt.

Walter Schopf (FSG), für den es ebenfalls die letzte
Vollversammlung war, verwies auf stolze Erfolge der
Arbeitnehmerinteressenvertretung. Er nannte u.a. die Steuerreform
2016 mit einer Entlastung der Beschäftigten um 5 Mrd. Euro, das
Gesetz gegen Lohn- und Sozialdumping oder die Altersteilzeit. Vieles
davon sei in Gefahr, in Arbeitszeitfragen werde etwa die
Mitbestimmung massiv zurückgedrängt. Es sei eine Lüge, dass sich da
kaum etwas geändert habe. Schopf schloss mit den Worten: „Passt mir
auf unsere Arbeiterkammer auf!“

Jasmina Grabus (AUGE/UG) berichtete über ihre Schwierigkeiten, als
Migrantin in Österreich Fuß zu fassen. Sie sei vor 30 Jahren
hierhergekommen und habe viele Steine aus dem Weg räumen müssen.
Jetzt, zwei Jahre vor der Pension, habe sie zwar die österreichische
Staatsbürgerschaft, aber immer noch Probleme bei der Jobsuche, obwohl
sie – wie auch in den Jahren zuvor – bereit sei, auch Stellen
anzunehmen, für die sie eigentlich überqualifiziert sei.

Siegfried Riedler (FA) erklärte, er habe großen Respekt vor den
Leistungen der Arbeiterkammer. Vor allem im Konsumentenschutz habe
die AK in den letzten Jahrzehnten viel erreicht. Er schlug die
Schaffung eines Karenzfonds vor, der in Karenz befindlichen Vätern,
aber auch Alleinerziehenden zugutekommen sollte. Mit der
Reichenbesteuerung solle man vorsichtig sein, meinte er, denn die
Reichen seien sehr mobil.

Vizepräsident Harald Dietinger (FSG) berichtete, in den Betrieben
tauchten immer mehr fürchterliche Arbeitszeit-Vereinbarungen auf. In
einer ihm bekannten Firma müssten Arbeitnehmer, die Probleme mit der
langen Arbeitszeit haben, dies nicht ihrem unmittelbaren
Vorgesetzten, sondern dem Personalchef erklären. Natürlich habe es
auch in der Vergangenheit 12-Stunden-Schichten gegeben, doch anders
als jetzt hätten die Betriebsräte da noch mitreden können.

Fraktionsvorsitzender Franz Bernroitner (ÖAAB) zog zu Beginn
seiner Wortmeldung Bilanz über seine lehrreiche Zeit als Kammerrat.
Er appellierte an die Vollversammlung, andere Meinungen zuzulassen,
darüber nachzudenken und sich miteinander zu arrangieren. Der
Resolution zur Bewahrung der Sozialversicherung werde er zustimmen,
jener zum Ausbau der Kinderbetreuung hingegen nicht. Weiters sprach
er sich für eine Pflegeversicherung anstatt einer Reichensteuer sowie
für eine steuerliche Entlastung von Überstunden zu Zeiten von
Produktionsspitzen aus.

Sabine Ameshofer (FSG) machte auf Probleme durch das neue
Arbeitszeitgesetz, insbesondere im Tourismus, aufmerksam. Längere
Arbeitszeiten, geteilte Dienste, verkürzte Ruhezeiten und lange
Anfahrtswege – das hielten die Beschäftigten nicht auf Dauer aus.
Daher sei es höchste Zeit für eine Verkürzung der wöchentlichen
Arbeitszeit.

Abschließend nahm Fraktionsvorsitzender Andreas Stangl (FSG) zu
sämtlichen Anträgen und Resolutionen Stellung. Die Resolution des
ÖAAB zu einem Rechtsanspruch auf Altersteilzeit müsste laut Stangl
zurückgezogen werden, weil sie der aktuellen Beschlusslage in der
Arbeiterkammer entspricht. Er verstehe auch nicht warum sich
Kammerräten/-innen der ÖAAB-Fraktion für Steuergeschenke an
Unternehmer oder gegen die Abschaffung der kalten Progression
aussprechen.

AK-Präsident Dr. Johann Kalliauer schloss die Debatte mit Dank an
die Redner/-innen für ihre Beiträge, ohne inhaltlich noch einmal dazu
Stellung zu nehmen.

Arbeiterkammer Oberösterreich, Kommunikation
Dr. Walter Sturm
+43 (0)50/6906-2192
walter.sturm@akooe.at
ooe.arbeiterkammer.at

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