SPÖ-Parlamentsklub und Renner-Institut verliehen Kurt Rothschild Preis an Mariana Mazzucato

Rendi-Wagner: „Staat muss Aufgabe als Triebfeder für Innovationen wahrnehmen“ – Bures: „Heilserwartungen an den Markt gerade in Krisen deplaziert“

Wien (OTS/SK) – Zum sechsten Mal wurde gestern, Donnerstag, 9. Dezember, der Kurt Rothschild Preis für Wirtschaftspublizistik des Karl-Renner-Instituts und des SPÖ-Parlamentsklubs verliehen. Der diesjährige Hauptpreis geht an die Ökonomin Mariana Mazzucato. Mazzucato ist Professorin für „Economics of Innovation and Public Value“ am University College London, wo sie auch das von ihr gegründete „Institute for Innovation and Public Purpose (IIPP)“ leitet. Die Entscheidung der Jury fiel aufgrund Mazzucatos Arbeiten zur Rolle der öffentlichen Hand, wenn es darum geht, technologischen und sozialen Fortschritt im Sinne des Gemeinwesens zu fördern. Den Preis für sein wissenschaftliches Lebenswerk bekam Emmerich Tálos von der Universität Wien. ****

Doris Bures, zweite Präsidentin des Nationalrates und Präsidentin des Renner-Instituts attestierte in ihrer Eröffnungsrede, dass gerade vor dem Hintergrund der Corona-Krise, neoliberale Markttheorien wenig geeignet zur Bekämpfung der gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Verwerfungen seien: „Unsere Gesellschaft steht vor neuen und sehr schweren Herausforderungen. Nicht nur in der Gesundheit, auch im Zusammenhang mit der neuen Arbeitswelt – Stichwort Digitalisierung – sind Heilserwartungen an den Markt mehr als deplaziert.“ Das gelte, so Bures weiter, auch für die Wirtschaftswissenschaften. Gerade der Kurt-Rotschild-Preis lenke sein Augenmerk auf jene Positionen, die abseits vom neoliberalen Mainstream neue Wege zeigen. „Das gilt insbesondere für Mariana Mazzucato, die immer wieder – gemäß der Lehre von Kurt Rothschild -auf die gesellschaftliche Relevanz der Ökonomie hinweist. Dieser Zugang ist unsere Intention bei der jährlichen Vergabe des Preises“, so die 2. Präsidentin des Nationalrates.

Pamela Rendi-Wagner, Vorsitzende der SPÖ und des SPÖ-Klubs, betonte in ihrer Laudatio auf Mariana Mazzucato, dass gerade die Corona-Krise spürbar gemacht habe, wie wichtig ein funktionierender Staat sei: „Wir können stolz sein auf unsere staatlichen Strukturen, auf unseren Sozialstaat, aber auch auf staatliche Investitionen. Der Staat ist oft Triebfeder von sozialem und technischem Fortschritt. Diese Aufgabe hat er auch wahrzunehmen, nämlich indem er Werte für eine Gesellschaft schafft. Genau dies zeigt das Werk der Hauptpreisträgerin Mazzucato. Sie analysiert klar und scharf, wie schädlich neoliberale Dogmen für die Gesellschaft sind. Mazzucato belässt es aber nicht nur bei der Analyse, sondern mischt sich in die öffentliche Debatte ein. Und genau das braucht es auch“, so die SPÖ-Klub- und Parteivorsitzende.

Ein wichtiger Begriff sei in diesem Zusammenhang, so Rendi-Wagner weiter, der Wert der Arbeit für eine Gesellschaft. „In der Pandemie wurden und werden von jenen Systemerhalter*innen die wichtigsten Arbeiten geleistet, die gleichzeitig den niedrigsten Lohn und die schwersten Arbeitsbedingungen haben. Es sind das beispielsweise die Pfleger*innen oder die Erntehelfer*innen“, erläutert Rendi-Wagner und weiter: „Dieses Ungleichgewicht muss aufgezeigt und bekämpft werden.“

Mazzucato: „Politik muss das tägliche Leben der Menschen verbessern“

Die Hauptpreisträgerin Mariana Mazzucato legte in ihren Ausführungen dar, warum unsere Gesellschaft vielfach ein Problem mit Werten an sich hat und sich oft viel zu sehr an bisherige Theorien klammert, anstatt in die Zukunft zu blicken. Das führe dazu, ist Mazzucato überzeugt, dass viele Länder schlecht auf Krisen vorbereitet sind – wie es auch die aktuelle Pandemie zeige. „Ein großes Problem unserer Gesellschaft ist die Ungleichheit. Es hat offenbar einer Krise bedurft, um dies zu erkennen. Durch die Pandemie hat sich etwa die Digitale Kluft erweitert. Die Lockdowns haben die Ungleichheit in der Bildung gesteigert. Und wir sehen, dass wir viel zu wenig auf den Klimawandel vorbereitet sind. Fazit: Wenn der Markt versagt, muss der Staat einsteigen. So kann es aber nicht bleiben. Wir müssen einen Umstieg und einen Wandel schaffen und die Prozesse so gestalten, dass sie von Beginn an im Sinne des Gemeinwohls sind. Ich möchte zeigen, dass auch in der Ökonomie anders gedacht werden kann“, so Mazzucato, die am Beispiel der Mondflüge der NASA ihre Theorie von einer funktionierenden Public-Private Partnership mit einem Gemeinwohl-Anspruch, darlegte.

„Der öffentliche Sektor muss eine Mission haben, die auf die positive Weiterentwicklung der Gesellschaft mit ganz konkreten nachhaltigen Entwicklungszielen abzielt. Innovation muss gestaltet werden, und zwar nicht nur in einzelnen Sektoren, sondern insgesamt als kollektives Ziel. Wichtig dabei ist, die Investitionen ergebnisorientiert zu tätigen und immer den Bürger und die Bürgerin im Auge zu haben. Politik muss das tägliche Leben verbessern. Nämlich das verbessern, wie wir wohnen, wie wir arbeiten und was die Mahlzeiten unserer Kinder sind. Das ist schwierig genug – noch schwieriger als auf den Mond zu fliegen – aber wir müssen die Herausforderung annehmen“, resümierte die Ökonomin.

Jury-Vorsitzender Kapeller: „Wissenschaft kann Politik Entscheidungen nicht abnehmen, aber unterstützen“

Jury-Vorsitzender, Jakob Kapeller, Professor an der Universität Duisburg, wies in seinem Statement auf die Auswahlkriterien bei den Preisvergaben hin: „Neben den wissenschaftlichen Qualitätsstandards achten wir auf einen praxisrelevanten und offenen Zugang der Forschung mit dem Ziel verschiedene Sichtweisen nicht nur zu benennen, sondern auch einzufordern.“ Kapeller nahm in seinem Statement auch Bezug auf das Verhältnis von Wissenschaft und Politik in Zeiten der Corona-Krise. Er plädierte vor allem dafür, die Wissenschaft nicht immer erst dann zu Rate zu ziehen, wenn die Krise schon da sei. „Die Wissenschaft kann zwar der Politik die Entscheidungen nicht abnehmen, aber sie jedenfalls unterstützen. Auch ist eine gewisse Skepsis gegenüber wissenschaftlichen Eliten nachvollziehbar. Die aktuelle Situation erachte ich jedoch als problematisch, weil es viele unreflektierte Angriffe auf Wissenschaftler gibt“, mahnt Kapeller.

Lebenswerk-Preis an Emmerich Tálos für Arbeiten zu
Sozialstaat

Der Direktorin des Renner Instituts, Maria Maltschnig oblag die Laudation für Emmerich Tálos, der einen Lebenswerk-Preis für seine Analysen zu Sozialpolitik, Sozialstaat und Sozialpartnerschaft erhielt. Dieser Lebenswerk-Preis wurde heuer das erste Mal vergeben. Maltschnig dazu: „Emmerich Tálos ist quasi Gesicht und Stimme der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Sozialstaat. Seine Auseinandersetzung mit dem Sozialstaat geht auch immer einher mit einem starken Plädoyer dafür. Die Beschäftigung mit dem Sozialstaat und seiner Funktion für Mensch, Gesellschaft und Demokratie entspricht dem Geist Kurt Rothschilds“, erläuterte Maltschnig, die den „Sozialstaat als eine der größten Zivilisationsleistungen, die wir kennen“ erachtet.

Emmerich Tálos, emeritierter Professor für Politikwissenschaften an der Universität Wien, selbst zeigte sich in seinem Statement geehrt: „Ich habe Kurt Rothschild sehr geschätzt und deshalb freut mich die Auszeichnung umso mehr. Aber auch weil gerade die Pandemie und die unterschiedlichen Auswirkungen zeigen, wie wichtig der österreichische Sozialstaat und als ein Teil davon ein funktionierendes Gesundheitssystem ist“. Tálos ortete aber auch Veränderungsbedarf: „Gerade im Bereich der Arbeitslosenversicherung brauchen wir eine Weiterentwicklung. Die Nettoersatzrate von 55 Prozent führt bei vielen dazu, dass die Armut vor der Tür steht. Deshalb braucht es eine Anhebung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent. Das löst zwar nicht jedes Problem, aber es wäre sehr wichtig“, bekräftigte der Wissenschaftler.

Weitere Preisträger

Neben dem Hauptpreis und dem Lebenswerk-Preis wurden Preise an folgende weitere Wissenschafter*innen vergeben:

Tamara Ehs, Martina Zandonella: Demokratie in der (Corona)-Krise. Die Auswirkungen von sozialer Ungleichheit auf die Demokratie

Stefan Jestl, Emanuel List: Ungleichheit und Umverteilung während der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise in Österreich – Neue Sichtweisen und Beiträge zur Diskussion

Katharina Mader, Judith Derndorfer, Franziska Disslbacher, Vanessa Lechinger, Eva Six: Home, sweet home? The impact of working from home on the division of unpaid work during the COVID-19 lockdown

Philip Rathgeb, Arianna Tassinari: Labour Politics between the Euro Crisis and Covid-19 Pandemic. (Schluss) sr/up

SPÖ-Parlamentsklub
01/40110-3570
klub@spoe.at
https://klub.spoe.at

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
© Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender