Internationale Partnerschaften und Personalgewinnung des Bundesheeres dominieren Aussprache mit Verteidigungsministerin Tanner

Landesverteidigungsausschuss debattiert EU-Jahresvorschau 2024 und Jahresbericht der Parlamentarischen Bundeheerkommission

Im Rahmen einer Aussprache zu aktuellen Fragen mit Verteidigungsministerin Klaudia Tanner interessierten sich die Abgeordneten in der heutigen Sitzung des Landesverteidigungsausschusses des Nationalrats für ein breites Themenspektrum. Internationale Partnerschaften und Beschaffungen für das Bundesheer kamen dabei ebenso zur Sprache wie die Frage der Personalgewinnung und die Reform der Zentralstelle des Bundesheeres.

Zudem wurden die EU-Jahresvorschau 2024 des Verteidigungsministeriums mehrheitlich – ohne die Stimmen der FPÖ – und der Jahresbericht 2022 der Parlamentarischen Bundesheerkommission einhellig zur Kenntnis genommen. Einstimmigkeit erzielte auch ein Staatsvertrag zwischen Österreich und Deutschland über die Zusammenarbeit gegen nichtmilitärische Bedrohungen aus der Luft.

INTERNATIONALE MILITÄRISCHE PARTNERSCHAFTEN

Ein zentrales Thema der Aussprache mit Verteidigungsministerin Tanner waren die internationalen militärischen Partnerschaften. Die Beziehung Österreichs zur NATO sei auch im Lichte des schwedischen und finnischen Beitritts unverändert, wie Tanner Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) antwortete. Es gebe eine strategische Partnerschaft, die etwa den politischen Dialog aber auch die Fragen der Interoperabilität der Streitkräfte beinhalte. Helmut Brandstätter und Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (beide NEOS) fragten in diesem Zusammenhang nach einer Passage aus der geplanten neuen Sicherheitsstrategie, in der davon die Rede sei, “näher an die NATO zu rücken”. Ein Experte des Ressorts erklärte, dass in der Sicherheitsstrategie von 2013 die NATO gegenüber anderen internationalen Organisationen unterrepräsentiert gewesen sei und dies in der Neufassung korrigiert würde. Laut Tanner seien Österreich und die NATO seit Jahrzehnten “verlässliche Partner”, was sich auch in gemeinsamen Missionen manifestiere. Ein NATO-Beitritt Österreichs stehe jedoch außer Frage.

Von Hoyos-Trauttmansdorff auf die Beistandspflicht innerhalb Europas angesprochen, erklärte Tanner, dass keine Sorge bestehen müsse, dass Österreich mangelnde Solidarität unterstellt würde. Österreich müsse sich hinsichtlich seines Engagements bei Auslandsmissionen “nicht verstecken”. Insbesondere der Westbalkan als “semi-befriedete Region vor unserer Haustür” erfordere nach wie vor eine große Truppenpräsenz, so Tanner. Die dortigen Staaten würden auch im Ausbildungsbereich näher an die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik herangeführt. So würden etwa Soldat:innen aus Bosnien und Herzegowina die Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt besuchen.

BESCHAFFUNGEN UND PERSONALGEWINNUNG FÜR DAS BUNDESHEER

Weiters interessierten sich die Abgeordneten für die Beschaffungen für das Bundesheer. ÖVP-Mandatar Manfred Hofinger erkundigte sich nach der Nachfolge für das “in die Jahre gekommene” Lufttransportsystem c-130 Hercules. Nach “intensiver Marktbeobachtung” sei hier die Entscheidung auf das brasilianische Transportflugzeug Embraer C-390 gefallen, da es als einziges am Markt verfügbares Modell den Anforderungen des Bundesheeres entspreche, antwortete Tanner. Nach intensiven Verhandlungen sei mit einem Vertragsabschluss Mitte diesen Jahres und einem Zulauf der Luftfahrzeuge circa im Jahr 2028 zu rechnen. Von Maria Smodics-Neumann (ÖVP) auf die Pandur Radpanzer angesprochen, erläuterte Tanner, dass nun 255 neue Panzer in 12 – anstatt wie bisher nur in drei – Varianten mit einem breiten Spektrum an Fähigkeiten nachbeschafft würden. Dafür würden 1,8 Mrd. € an Budget zur Verfügung gestellt.

Außerdem thematisierten Irene Neumann-Hartberger (ÖVP) und Ausschussobmann Volker Reifenberger (FPÖ) den Grundwehrdienst und dessen Bedeutung für die Personalgewinnung. Reifenberger regte an, diesen um zwei Monate zu verlängern, um die Rekruten auch hinreichend auszubilden. Tanner betonte, dass es grundsätzlich entscheidend sei, eine positive Grundstimmung für das Bundesheer zu schaffen, damit mehr junge Menschen sich dafür entscheiden. Einen Zwang zum längeren Dienst hielt sie für “überholt”. Vielmehr müsse ein stärkeres Bewusstsein für die Notwendigkeit einer funktionierenden Landesverteidigung geschaffen werden. Dahingehend seien schon einige Schritte gesetzt worden, wie Tanner ausführte. So würden aktuell 600 Informationsoffiziere bereits in der Volksschule für die Förderung der geistigen Landesverteidigung arbeiten. Tanner nannte auch die Erhöhung des Solds für Grundwehrdiener, die Einführung der Teiltauglichkeit und die Auszahlung von Ausbildungsprämien als wesentliche Anreize für einen Verbleib im Bundesheer. Auch die intensive Heranziehung der Rekruten zu Assistenzeinsätzen, die häufig zur Unzufriedenheit mit dem Heer beigetragen habe, sei signifikant reduziert worden. Schließlich habe das Ressort zudem die Freiwilligenmeldung für Frauen bedeutend erleichtert, wie Tanner erklärte.

ABGEORDNETE THEMATISIEREN UNGEREIMTHEITEN BEI DER REFORM DER ZENTRALSTELLE

Für Diskussionsbedarf sorgte die Reform der Zentralstelle und der obersten militärischen Führung des Bundesheeres, zu der die Abgeordneten die Gelegenheit hatten, Einsicht in den diesbezüglichen Revisionsbericht zu nehmen. So fragte Robert Laimer (SPÖ) etwa nach dem Stand der Reform sowie nach einer Besetzung von Posten mit “ÖVP-nahen” Beamten. Hubert Fuchs (FPÖ) zeigte sich “schockiert” über Passagen zur Einflussnahme auf Amtsträger:innen und sprach Anzeigen wegen Amtsmissbrauch innerhalb des Ressorts an. Auch David Stögmüller (Grüne) interessierte sich für im Bericht angeführte “rechtswidrig und unsachlich abgelaufene” Vorgänge, betonte jedoch, dass ein “Sicherheitsnetz” gegriffen habe.

Verteidigungsministerin Tanner führte aus, dass bereits vieles im Rahmen der Reform umgesetzt worden sei, jedoch auch einige Adaptionen hätten vorgenommen werden müssen. Bis wann der gesamte Prozess beendet ist, hänge von der bewertenden Stelle, dem Bundesministerium für öffentlichen Dienst (BMKÖS), ab. Tanner habe vom Beginn der Reform an ihre “Verantwortung wahrgenommen” und deren begleitende Kontrolle durch die Revision angeordnet. Zu den ressortinternen Anzeigen äußerte sie sich nicht, da hier die Staatsanwaltschaft am Wort sei.

Weiters thematisierten Mario Lindner (SPÖ) die Hubschrauber-Flotte bzw. deren Pilot:innen, Robert Laimer (SPÖ) den Besuch des deutschen Verteidigungsministers Boris Pistorius, Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) den Einsatz österreichischer Soldat:innen am Roten Meer, Helmut Brandstätter (NEOS) die Aufstellung einer Rapid Deployment Capacity (schnelle Eingreiftruppe) im Rahmen der EU und Petra Wimmer (SPÖ) Infrastrukturmaßnahmen des Bundesheeres, insbesondere im Bereich der Photovoltaik.

JAHRESBERICHT DER PARLAMENTARISCHEN BUNDESHEERKOMMISSION 2022: PERSONALENGPÄSSE ALS GRÖSSTE HERAUSFORDERUNG

182 Beschwerdeverfahren leitete die Parlamentarische Bundesheerkommission (PBHK) im Jahr 2022 ein, was eine signifikante Reduktion des Beschwerdeaufkommens gegenüber dem Vorjahr mit 295 Verfahren bedeutet. Dies geht aus dem Jahresbericht 2022 der PBHK hervor, zu dem das BMLV eine Stellungnahme vorgelegt hat (III-1042 d.B.). Die Beschwerdegründe bezogen sich laut Bericht im Wesentlichen auf Angelegenheiten des Ausbildungs- und Dienstbetriebes, Personalangelegenheiten sowie auf Ausrüstungsmängel. Anlässlich konkreter Vorfälle wird im Jahresbericht näher auf die Themen Suizid- und Extremismusprävention im Bundesheer eingegangen. Der Personalmangel stellte sich bei den Prüfbesuchen der PBHK als vorrangigste Herausforderung für eine funktionierende Landesverteidigung dar. Zurückgeführt werden Probleme bei der Personalgewinnung insbesondere auf die intensive Heranziehung der Rekruten zu nicht-militärischen Assistenzeinsätzen.

Im Ausschuss herrschte parteiübergreifende Wertschätzung für die Arbeit der PBHK, die auch als Instrument für das “Qualitätsmanagement” des Bundesheeres wirke, wie etwa Friedrich Ofenauer (ÖVP) betonte. Mario Lindner (SPÖ) fragte nach Maßnahmen gegen “unangebrachte Äußerungen” – so die Bezeichnung im Bericht -, die aus seiner Sicht oftmals rassistischen oder homophoben Hintergrund hätten. Verteidigungsministerin Tanner verwies auf dahingehende Sensibilisierungsmaßnahmen und eine eigens zu dieser Thematik eingerichtete Stabsstelle. PBHK-Vorsitzender Reinhard Eugen Bösch ging auf den niedrigen Personalstand insbesondere bei der Miliz ein und regte eine Übungspflicht für Grundwehrdiener an. 

EU-JAHRESVORSCHAU 2024: STÄRKUNG DER VERTEIDIGUNGSINDUSTRIE UND INTERNATIONALEN PARTNERSCHAFTEN

Das Verteidigungsministerium (BMLV) hat seine Jahresvorschau für 2024 vorgelegt, die auf dem  Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission sowie auf dem Achtzehnmonatsprogramm des spanischen, belgischen und ungarischen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union basiert (III-1100 d.B.). Das BMLV begrüßt darin insbesondere die europäischen Pläne zur Stärkung der verteidigungsindustriellen Basis und der internationalen Partnerschaften. Auch die EU-Vorhaben in den Bereichen Forschung und Weltraum werden positiv bewertet. Die auf EU-Ebene vorgesehenen Maßnahmen zur fortgesetzten “unerschütterlichen” Unterstützung für die Ukraine werde Österreich weiterhin mittragen, einschließlich finanzieller, humanitärer und nicht-letaler militärischer Hilfe, wie aus der Jahresvorschau hervorgeht.

An letzterem Punkt stießen sich die Freiheitlichen, wie deren Abgeordneter Hubert Fuchs ausführte, weshalb sie nicht für die Kenntnisnahme des Berichts stimmten.

ABKOMMEN ZWISCHEN ÖSTERREICH UND DEUTSCHLAND ÜBER DIE ZUSAMMENARBEIT GEGEN NICHTMILITÄRISCHE BEDROHUNGEN AUS DER LUFT

Um die grenzüberschreitende Sicherung des Luftraums gegen nichtmilitärische Bedrohungen aus der Luft zu gewährleisten, legt die Bundesregierung ein Abkommen zwischen Österreich und Deutschland vor, das im Dezember 2022 unterzeichnet wurde (2286 d.B.). Damit soll es möglich werden, die gemeinsame Staatsgrenze zu überfliegen, um etwa ein verdächtiges Luftfahrzeug an die Fliegerkräfte des jeweiligen Nachbarstaates sicher zu “übergeben” und die diesbezüglichen Reaktionsmöglichkeiten und -zeiten zu verbessern.

Betont wird dabei in den Erläuterungen das verfassungsrechtliche “Exklusivgebot”, wonach die österreichische Landesverteidigung ausschließlich dem Bundesheer obliegt und keinesfalls von fremden Fliegerkräften ausgeübt werden darf. Maßnahmen gegen militärische Bedrohungen sind ausdrücklich nicht umfasst. (Schluss) wit

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