50. Wiener Landtag (1)

Wien (OTS/RK) – Auf Verlangen der ÖVP begann heute, Montag, um 9 Uhr eine Landtagssitzung zum Thema „Leistung muss sich wieder lohnen, Verfassungsbruch beenden, Zuwanderung ins Sozialsystem stoppen – Wien braucht eine Mindestsicherungsreform!“. Fragestunde und Aktuelle Stunde entfielen.

StR Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM (ÖVP) bemerkte, dass das österreichische Sozialsystem „dank des Einsatzes und der Steuergelder vieler Österreicherinnen und Österreicher in den letzten Jahrzehnten aufgebaut wurde, um damit Menschen, die sich selbst nicht mehr helfen können, zu unterstützen“. Wölbitsch stellte die Frage, ob das Wiener System der Mindestsicherung überhaupt noch gerecht sei. Wien habe sich seit der rot-grünen Regierung als “Sozialmagnet” erwiesen; obwohl die Stadt lediglich 20 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner Österreichs zähle, befänden sich rund 60 Prozent der Mindestsicherungsbeziehenden hier. Seit 2010 seien die Zahl der Mindestsicherungsbezieherinnen und -bezieher um 60 Prozent sowie die Kosten für die Mindestsicherung um 120 Prozent gestiegen. „Und nur sieben Prozent der Bezieher sind ‚Aufstocker“, also Menschen, die zu ihrem Verdienst Zuzahlungen erhalten“, sagte Wölbitsch. „Mit diesem System werden die Menschen, die das System finanzieren, vor den Kopf gestoßen. Wer arbeitet, darf nicht der Dumme sein“, kritisierte Wölbitsch. Zwei Studien würden „beweisen, dass die Attraktivität des Sozialsystems ein Anziehungspunkt für Migranten ist“. Zudem komme die Mindestsicherung „nicht immer bei denen an, die es wirklich brauchen, weil es zu wenig Kontrollen gibt“, sagte Wölbitsch. „Für diese Steuergeldverschwendung ist einzig Rot-Grün verantwortlich.“ In Österreich sollte es einen einheitlichen Rahmen für die Mindestsicherung geben, deshalb habe die ehemalige ÖVP-FPÖ-Regierung das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz beschlossen, um das System der Mindestsicherung zu reformieren. Die Frist zur Erlassung der jeweiligen Ausführungsgesetze der einzelnen Bundesländer habe mit Jahresausklang 2019 geendet, doch Wien habe das nicht umgesetzt, „das ist ein Verfassungsbruch“. Es sei ungerecht, dass es in Wien möglich sei, mehr Einkommen aus Sozialhilfe zu erhalten als über das Arbeiten. „Uns geht es um mehr Gerechtigkeit für jene Menschen, die das System finanzieren und aufrechterhalten“, sagte Wölbitsch.

Labg. Ingrid Korosec (ÖVP) erinnerte, dass heute die bereits dritte Sitzung des Wiener Landtags im Jahr 2020 zum Thema Sozialhilfe-Grundsatzgesetz stattfinde. „Doch Wien ist weiterhin beim Ausführungsgesetz säumig und begeht damit Verfassungsbruch“, sagte Korosec. Die Stadt würde 3,8 Millionen Euro pro Tag für die Mindestsicherung ausgeben, was deutlich höher sei als die Aufwendungen in anderen Bundesländern. „Die Wiener Mindestsicherung ist kein Sprungbrett in den Arbeitsmarkt, was sie aber sein sollte“, sagte Korosec. Auch fehle im Wiener Gesetz die Verpflichtung Deutsch zu lernen, was aber „wichtig“ für die Integration sei. „Herr Landesrat, Sie agieren populistisch und stellen sich über das Gesetz“, warf Korosec Sozialstadtrat Peter Hacker vor. Die Mindestsicherung solle ein Sprungbrett zur Unabhängigkeit sein, damit Betroffene auf eigenen Beine stehen können. Jetzt gelte es „die Fehler im System zu beseitigen und die verfassungsgerechte Umsetzung des Mindestsicherungsgesetzes zu erreichen“, sagte Korosec, die dazu einen Antrag stellte.

Labg. Dietrich Kops (HC) zeigte sich verwundert, dass die “an sich gute Forderung“ von der ÖVP komme, die doch 2015 „hunderttausende Wirtschaftsflüchtlinge nach Österreich reingelassen hat“. Die ÖVP generiere sich immer nur vor einer Wahl als „Hardliner“, danach sei alles wieder anders. 2019 habe es laut Zahlen der Statistik Austria in ganz Österreich 268.000 Mindestsicherungsbeziehende gegeben, 64 Prozent davon in Wien. Die Kosten hätten sich bundesweit auf 863 Millionen Euro belaufen, Wien habe im Jahr 2019 davon 607 Millionen Euro ausgegeben. Zahlen wie die Bezugsdauer von 20 oder mehr Monaten würden zeigen, „dass einerseits die Arbeitsmarktpolitik verfehlt wurde, andererseits eine zu hohe Zuwanderung in die Mindestsicherung erfolgt ist“, so Kops. „Herr Sozialstadtrat Hacker, ändern Sie diese Politik“, forderte Kops.

Labg. Mag. Bettina Emmerling, MSc (NEOS) empfand es als „unerträglich, dass immer wieder Einzelbeispiele herausgegriffen werden, um Migrantinnen und Migranten in dieser Debatte an den Pranger zu stellen.“ Das „eigentliche Problem“ sei, dass die Abgaben-und Steuerlast in Österreich zu hoch sei und dadurch Arbeitsanstellungen verhindert würden. Es werde „immer Personen geben, die das System ausnützen, hier helfen – wie etwa auch im Straßenverkehr – nur Kontrollen“. Emmerling sei „froh darüber, dass bestimmte Punkte des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes durch den Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurden“. Eine bundeseinheitliche Regelung sei durch das Rahmengesetz der damaligen türkis-blauen Regierung verhindert worden. „Ein Drittel der Mindestsicherungsbezieher sind Kinder. Wir müssen sicherstellen, dass dieses Geld auch bei den Kindern ankommt“, sagte Emmerling. Dies könne durch sachbezogene Leistungen vor allem im Bereich der Bildung garantiert werden, schlug Emmerling vor.

Labg. Mag. Ursula Berner, MA (Grüne) sagte, in der Corona-Krise hätten viele Menschen ihre Arbeit verloren oder seien in Kurzarbeit. Deshalb sollen jetzt durch diese Diskussion Menschen nicht „verunsichert“ werden, denn die wirtschaftlichen Auswirkungen würden Wien und ganz Österreich treffen. Es brauche „mehr Zusammenhalt, denn nur gemeinsam können wir mit den vielen Auswirkungen der Corona-Pandemie zurechtkommen“, sagte Berner. Ursprünglich sei die Mindestsicherung von den neun Bundesländern gemeinsam mit dem Bund geschaffen worden, was sich als „ein Meilenstein in der sozialen Absicherung und als Erfolgsmodell“ erwiesen hätte. Mit der Mindestsicherung als „letztem sozialen Netz“ sei Wohnungslosigkeit und Bettelei verhindert worden. Mit der Sozialhilfe Neu sie die Mindestsicherung „mutwillig von der türkisen Slim-fit-Buberlpartie“ zerstört worden. Das tue den Menschen und der Gesellschaft „weh, denn wer glaubt, dass 43 Euro pro Monat für ein Kind reichen, ist zynisch“, sagte Berner, die “die Kürzungsphantasien der ÖVP als unerträglich” empfinde. Berner sei „stolz darauf, dass Wien die höchste Kinder-Mindestsicherung in Österreich hat“. Der Slogan „Leistung muss sich wieder lohnen“ sei ein „Uralt-Spruch aus den 1980er Jahren.“ Doch in Corona-Zeiten sei nicht der Ruf nach Leistung entscheidend, sondern der Ruf nach Unterstützung für wirtschaftlich schlechter Gestellte. Das Ansinnen der ÖVP sei „schlecht für die Chancen der Kinder, um mit Hilfe der Mindestsicherung aus der Armutsspirale zu entfliehen“. „Niemand ist gerne von Not und Armut betroffen, aber in Notzeiten ist die Stadt Wien da und leistet Unterstützung für alle, die es benötigen“, sagte Berner.

Labg. Wolfgang Seidl (FPÖ) rechnete vor, dass in 32 der insgesamt 50 Landtagssitzungen dieser Gesetzgebungsperiode über die Mindestsicherung gesprochen worden sei, „trotzdem ist immer noch viel zu tun“. Die Spielregeln, die der Bund für die Mindestsicherung vorgegeben habe, seien in Wien noch immer nicht umgesetzt worden; seine Hoffnung, dass diese Umsetzung noch in dieser Legislaturperiode geschehen würde, sei gering. Deshalb hoffe er nach der Wien-Wahl „auf die vernunftbegabten Sozialdemokraten im nächsten Landtag, und dass diese grüne Partie in der Regierung nicht mehr mitmacht“, so Seidl. (Forts.) nic

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