NEOS drängen in Aktueller Europastunde des Nationalrats auf Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip in der EU

Europaministerin Edtstadler: EU soll große, grenzüberschreitende Probleme lösen

“Auf in die Vereinigten Staaten von Europa. Europa jetzt entscheidungs-, zukunfts- und vor allem verteidigungsfähig machen!”. Unter diesen Titel stellten heute die NEOS die Aktuelle Europastunde im Nationalrat. Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger sprach sich dabei für eine Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip bei außen- und sicherheitspolitischen Fragen in der Europäischen Union aus. Für Europaministerin Karoline Edtstadler fußt die Stärke und der Erfolg der EU darin, große Probleme grenzüberschreitend zu lösen. Staatssekretärin Claudia Plakolm sprach sich gegen einen “föderalen Supersaat der Vereinigten Staaten von Europa” aus.

MEINL-REISINGER: EU DURCH EINSTIMMIGKEITSPRINZIP STRATEGISCH GEHEMMT

Zur Sicherung der wirtschaftlichen Schlagkraft, der Freiheit und des Wohlstands fehlt laut NEOS-Klubchefin Beate Meinl-Reisinger Europa derzeit die Handlungs-, Entscheidungs- und Verteidigungsfähigkeit. Das Einstimmigkeitsprinzip in der EU möge zwar vordergründig im Interesse Österreichs als kleines Land sein, dadurch sei die EU insgesamt jedoch strategisch gehemmt, gab Meinl-Reisinger zu bedenken. Sie könne nicht verstehen, warum Österreich nicht Teil der Initiative mehrerer EU-Länder zur Überarbeitung des Einstimmigkeitsprinzips im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik sei. Angesichts “neoimperialistischer Machtgelüste Putins müssen wir als Österreich und Europa wehrhaft sein. Die USA wird uns nicht immer zur Sicherung des Friedens und der Freiheit zur Hilfe eilen”, so die NEOS-Chefin. Meinl-Reisinger bezweifelte, dass Österreich “unter dem Vorwand der Neutralität” ein verlässlicher und entschlossener Partner beim Aufbau eines verteidigungsfähigen Heeres in Europa sei. Dazu brauche es aber eine proeuropäische ÖVP, die jedoch derzeit auf Partner wie Viktor Orban aus Ungarn setze.

NEOS-Europaabgeordnete Claudia Gamon kritisierte die “Veto-Politik” Österreichs. Diese sei “egoistisch, kurzsichtig und gut für kurzfristige innenpolitische Schlagzeilen”. So sei etwa die Konsequenz des “Schengen-Vetos” ein Befeuern der antieuropäischen Stimmung in Rumänien. Für Gamon geht es um eine selbstbestimmte europäische Verteidigungspolitik, um Freiheit, Demokratie und Menschenrechte in einem vereinten Europa sicherzustellen. Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS) ortete “keine großen Unterschiede” zwischen dem europapolitischen Zugang der ÖVP und der FPÖ. Im Bereich der Verteidigungspolitik berufe sich Österreich auf die Neutralität und vergesse auf die Solidarität. So werde man etwa durch die Weigerung zur Entminungshilfe für die Ukraine in Europa als “Blockierer” wahrgenommen.

EDTSTADLER: EU SOLL GROSSE PROBLEME GRENZÜBERSCHREITEND LÖSEN

“Die letzten drei Jahre sind mit einem Wort zu beschreiben: Ausnahmezustand”, hielt Europaministerin Karoline Edtstadler in Richtung NEOS fest. Die Lösung der Herausforderungen liege aber nicht in der Gründung der Vereinigten Staaten von Europa, die Stärke und der Erfolg der EU fuße darin, die großen Probleme grenzüberschreitend zu lösen. Für Edstadler gibt es hier noch einiges zu tun, etwa wenn es um den Ausbau der grenzüberschreitenden Kooperation der Sicherheitsbehörden, den Kampf gegen illegale Migration sowie um die Vollendung des Binnenmarktes geht. “Die EU wird nicht an der Geschichte gemessen, sondern an der Fähigkeit, Lösungen für die Herausforderungen der Zukunft zu finden”, so die Ministerin.

Ähnlich argumentierte Staatssekretärin Claudia Plakolm. Die EU solle sich um die “großen Fragen” kümmern und nicht Details regeln. Es brauche keinen “föderalen Supersaat der Vereinigten Staate von Europa”, vielmehr gehe es um gemeinsame Ziele, Kooperation und vor allem eine gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik. Die Subsidiarität ermögliche lebensnahe Entscheidungen und sei ein “Garant gegen zentralistische Tendenzen”, betonte Plakolm.

ÖVP: EUROPA BRAUCHT MEHR STÄRKE NACH AUSSEN UND FREIHEIT IM INNEREN

Die Vereinigten Staaten von Europa seien zwar ein hehres Ziel, aber eine “naive Herangehensweise”, hielt Carmen Jeitler-Cincelli (ÖVP) fest. Je mehr man in diese Richtung dränge, “desto schwieriger wird es, die Leute mitzunehmen”. Die ÖVP habe hier einen anderen Ansatz als die NEOS. Es gehe darum, bestehende und gut funktionierende EU-Institutionen zu stärken und die anderen zu transformieren.

Bettina Rausch (ÖVP) konnte der NEOS-Kritik, dass ÖVP und FPÖ eine gemeinsame europapolitische Linie verfolgen würden, nichts abgewinnen. Die ÖVP handle und denke europäisch und sei etwa von Anfang an auf der Seite der Ukraine und der freien Welt gestanden. Zur Idee der Vereinigten Staaten von Europa zeigte sich auch Rausch skeptisch. Der Begriff sei nicht passend, man wolle keine “Kopie der USA” sein. Für die ÖVP-Mandatarin als auch für ihren Parteikollegen und Europaabgeordneten Lukas Mandl braucht es in Europa “mehr Stärke nach Außen und mehr Freiheit im Inneren”. Mandl begrüßte etwa den vor einem Jahr in Kraft getretenen Strategischen Kompass der EU.

SPÖ: GUTE SCHRITTE DER EU IN RICHTUNG GLEICHSTELLUNG UND GEWALTSCHUTZ

Laut Eva Maria Holzleitner (SPÖ) hat die EU in letzter Zeit “gute Schritte” für ihre Zukunftsfähigkeit gemacht. Holzleitner begrüßte etwa die vorgelegten Richtlinien für die Gleichstellung der Geschlechter im Bereich der Lohntransparenz. Da in Österreich immer noch große Gehaltsunterschiede vorherrschen würden, sei die Regierung in der Verantwortung, die EU-Vorgaben “schnellstmöglich” umzusetzen. Auch den Beitritt zur Istanbul-Konvention ortete die SPÖ-Mandatarin als positiv. Es gehe dabei um den Gewaltschutz für Frauen und Mädchen. Was die Staaten des Westbalkans betrifft, müssten diese Teil der EU werden. Holzleitner sprach sich für “klare” Beitrittsperspektiven aus.

“Europa ist dann handlungs- und entscheidungsfähig, wenn wir resilient gegen Autokraten, Menschenfeindlichkeit, Hass und Hetze sind”, betonte Europaabgeordnete Theresa Bielowski (SPÖ). Um handlungsfähiger zu werden, müsse die EU jedoch die aktuellen Herausforderungen lösen. Dazu brauche es qualifizierte Mehrheiten und starke Sozialstrukturen. Nur so könnten die Bürger von der Idee eines gemeinsamen Europas überzeugt werden. Robert Laimer (SPÖ) sprach sich gegen “unrealistische Visionen” zu den Vereinigten Staaten von Europa aus.

FPÖ: VETORECHT IST SCHUTZANKER ÖSTERREICHS

“Sie treiben die “EU-Hörigkeit” auf die Spitze, hielt Petra Steger (FPÖ) gegenüber den NEOS fest. Diese seien eine “staatsfeindliche Partei” und würden Österreich zu einem Bundesland von Europa werden lassen. Die NEOS würden dies aber im Gegensatz zu allen anderen Parteien offen ansprechen. Steger bezeichnete das Vetorecht als “letzten Schutzanker Österreichs”. Es sei unbegreiflich, dass sich Vertreter:innen des Nationalrats dafür einsetzen würden, dass Österreich auf EU-Ebene weniger mitzureden habe. Die FPÖ sei zudem die einzige Partei, die sich gegen eine EU-Armee ausspreche.

Die NEOS stünden für die Aufgabe der Neutralität und Souveränität Österreichs, was einem Ende der Republik gleichkomme, kritisierte Europaabgeordneter Georg Mayer (FPÖ). Den Green Deal der EU bezeichnete Mayer als “Green Desaster”, der sämtliche Wirtschaftszweige “mit Anlauf” vernichte oder zur Abwanderung dränge. Die FPÖ stehe für kooperierende Nationalstaaten, soweit dies sinnvoll erscheine.

GRÜNE: NEUTRALE EU-LÄNDER MÜSSEN AUF EIGENSTÄNDIGE VERTEIDIGUNGSPOLITIK EUROPAS HINARBEITEN

Die Aufhebung der Einstimmigkeit in der Sicherheitspolitik bedeute, dass die NATO europäische Verteidigungspolitik mache, unterstrich Michel Reimon (Grüne) gegenüber den NEOS. Die vier verbliebenen neutralen Länder in der EU müssten auf eine eigenständige Verteidigungspolitik Europas hinarbeiten, da alle anderen NATO-Länder diese nicht vorantreiben würden. Solange “Putin” Europa mit 6.000 Atomsprengköpfen bedrohe, würden sich vor allem die osteuropäischen Länder nicht von einer NATO-Mitgliedschaft verabschieden.

Grünen-Europaabgeordneter Thomas Waitz bezeichnete die EU als Erfolgsprojekt, dass fast 80 Jahre lang für Frieden in Europa gesorgt habe. Zudem sei die EU ein wirtschafts- und sozialpolitischer Erfolg, da man viele aus der Armut geholt habe. Nur die EU könne die Interessen Österreichs in einer multipolaren Weltordnung vertreten. Für Waitz ist die Einstimmigkeit nicht in jedem Bereich sinnvoll, etwa wenn es um Fragen der Mindestbesteuerung geht. Zudem könne man die “großen Fragen unserer Zeit”, wie etwa die Klimakrise, nur gemeinsam lösen. (Fortsetzung Nationalrat) med

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