103. Sitzung des Kunstrückgabebeirats – vier Empfehlungen beschlossen

Der Kunstrückgabebeirat sprach in seiner heutigen 103 Sitzung (28. November 2023) Empfehlungen zu Objekten aus der Albertina, der Österreichischen Galerie Belvedere sowie der Österreichischen Nationalbibliothek aus.

Im Falle zweier Zeichnungen aus der Albertina stellte der Beirat auf Grundlage der Forschungen der Kommission für Provenienzforschung fest, dass sie aus der privaten Kunstsammlung des Kunsthistorikers und langjährigen Kustos der Österreichischen Galerie, Heinrich Schwarz, stammen. Nachdem dieser kurz nach dem „Anschluss“ 1938 seines Amtes enthoben worden war, trat er im März 1939 die Flucht aus Österreich an und erreichte im Februar 1940 New York. Zwar wurde ihm die Ausfuhr seiner Kunstsammlung genehmigt, allerdings trennte er sich von einigen Stücken, um seine Flucht zu finanzieren. So kaufte die Albertina bei der Auktion des Leipziger Auktionshauses C.G. Boerner am 28. April 1939 die beiden Zeichnungen, die aufgrund des Sammlerstempels auf der Rückseite eindeutig Heinrich Schwarz zuzuordnen sind. Diese Erwerbungen erachtet der Beirat als nichtige Rechtsgeschäfte und empfahl die Restitution der Blätter.

Eine solche Einschätzung traf er auch bezüglich des Gemäldes „Frühling in Hacking“ von Emil Jakob Schindler aus der Österreichischen Galerie Belvedere. Spätestens ab 1901 im Eigentum des Bankiers Wilhelm Zierer, in der Folge von dessen Tochter Lili Oppenheimer stehend, gelangte es nach dem „Anschluss“ in den Besitz von Maria Eberstaller. Dabei handelte es sich um die Tochter des Malers – und Schindler-Schülers – Carl Moll, der die Sammlung Zierers bzw. Oppenheimers nachweislich kannte. Sie beging gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Nationalsozialisten Richard Eberstaller, und ihrem Vater angesichts des bevorstehenden Endes des NS-Regimes Suizid – und vermachte das gegenständliche Gemälde dem heutigen Belvedere. Lili Oppenheimer und ihrer Familie war im August 1938 die Flucht aus Wien gelungen; den Übergang an Maria Eberstaller erachtete der Beirat als nichtige Rechtshandlung und empfahl die Restitution des Gemäldes.

Außerdem wurde eine sechsbändige Ausgabe von Maxim Gorkis „Ausgewählten Erzählungen“, das Exlibris von Leopold und Lili Oppenheimer aufweisend, zur Restitution empfohlen. Diese Bände wurden in der Österreichischen Nationalbibliothek ebenso unter den beschlagnahmten Beständen aufgefunden wie vier Inkunabeln und insgesamt 130 Objekte aus der Sammlung Handschriften und alte Drucke sowie aus der Musiksammlung. Zu ihnen wurden keine hinreichend aussagekräftigen Vorbesitzerhinweise gefunden, weshalb der Beirat sie zur Übergabe an und Verwertung durch den Nationalfonds der Republik Österreich für die Opfer des Nationalsozialismus empfahl.

Anders gestaltete sich dies im Fall einer Druckschrift, in der sich der Sammlerstempel „Bibliothèque de Zuylen“ befindet. Dieser führte zu Hélène van Zuylen van Nyevelt de Haar aus dem französischen Zweig der Familie Rothschild. Nachdem deren umfangreiche Sammlung an Kunstwerken, Möbeln und insbesondere Büchern seitens des „Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg“ Anfang 1941 „sichergestellt“ worden war, wurde ihre Bibliothek in 81 Kisten nach Berlin zur Eingliederung in die im Aufbau befindliche „Zentralbibliothek der Hohen Schule der NSDAP“ verschickt. Im Zuge der Luftangriffe auf Berlin wurden diese Bestände ins – zuvor beschlagnahmte – Olivetanerkloster Tanzenberg in Kärnten evakuiert, wo britische Soldaten sie nach der Befreiung hinsichtlich ihrer Herkunft sichteten. Der Stempel van Zuylen dürfte dabei unentdeckt geblieben sein, weshalb das Buch über die sogenannte Büchersortierungsstelle in der Wiener Hofburg an die Österreichische Nationalbibliothek gelangte. Nun soll es an die Erb:innen von Hélène van Zylen übereignet werden.

Die Beschlüsse sind im Wortlaut auf der Webseite der Kommission für Provenienzforschung unter www.provenienzforschung.gv.at wiedergegeben. Zum 25. Jahrestag des Inkrafttretens des Kunstrückgabegesetzes am 5. Dezember 1998 ist der Sammelband „Restituiert. 25 Jahre Kunstrückgabegesetz in Österreich“, herausgegeben von Birgit Kirchmayr und Pia Schölnberger, mit zahlreichen Beiträgen und Fallbeispielen bei Czernin erschienen. 

Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport
Mag. Ina Gayed, MA
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