17. Wiener Landtag (9)

Dringlicher Antrag

LAbg. Thomas Weber (NEOS) sagte, dass der FPÖ bei diesem Thema „wieder einmal“ nichts anderes einfalle, als dass Menschen aufgrund ihrer Herkunft das Recht abzusprechen, Mindestsicherung zu beziehen. „Aber nicht genug damit, anscheinend müssen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in Not auch noch eine ‚Blutlinie‘ vorweisen, damit sie Unterstützung bekommen dürfen. Was ihr Kollege Mahdalik in den Reihen der Mandatar*innen gesagt hat (Anm.: Alle Menschen, die sich illegal hier aufhalten würden, seien Vergewaltiger und Mörder), ist Rassismus in seiner Reinform. Sie sind ein geistiger Brandstifter, denn solche Worte führen dazu, dass der soziale Frieden außer Rand und Band kommt und Flüchtlingslager angezündet werden. Kommen Sie heraus und entschuldigen Sie sich“, forderte Weber Anton Mahdalik (FPÖ) auf. Wien würde aktuell 15.500 Menschen mehr betreuen, als mit dem Bund und den anderen Bundesländern vereinbart sei. Nicht Wien sei wortbrüchig, sondern die anderen Bundesländer. „Die Menschen, die nach Wien kommen, wollen nicht in Zelten untergebracht werden, obwohl daneben Quartiere leer stehen“, sagte Weber. Wien würde im Gegensatz zum Bund und zu den Ländern Verantwortung übernehmen. Jene Bundesländer, die ihre Quote nicht erfüllen würden, sollten Wien im Gengenzug finanziell entschädigen, schlug Weber vor.

LAbg. Georg Prack, BA (GRÜNE) sagte, dass der „Pfusch“ des Mindestsicherungsgesetzes der ÖVP-FPÖ-Regierung in Wien nicht umgesetzt werde. Der Pfusch lege darin, weil Kinder im Gesetz finanziell unterschiedlich bewertetet worden seien, was vom Verfassungsgerichtshof bereits aufgehoben wurde. „Wir finden jedes Kind ist gleich viel wert. Gut, dass wir nicht auf Sie gehört haben und das in Wien nicht gekommen ist“, sagte Prack in Richtung der FPÖ. Frauen, die Frauenhäusern Schutz gesucht hatten, sei von der damaligen Regierung die finanziellen Mittel gekürzt worden, was der jetzige Sozialminister wieder repariert habe. Prack kritisierte jene Geisteshaltung, die Armut als individuelles Problem sehe und nicht als ein Problem der Gesellschaft. „Ich bin froh, dass wir in Österreich Armut als gesellschaftliche Phänomen sehen“. Sozialhilfe solle ein Schutzschirm gegen Armut sein, deshalb verstehe er nicht, wieso von der rot-pinken Regierung vor allem für junge Menschen die Mittel gekürzt worden seien. „Richten Sie das wieder her“, appellierte Prack.

LAbg. Gabriele Mörk (SPÖ) sagte, es sei wenig überraschend, dass zentrale Elemente des türkis-blauen Sozialhilfegrundsatzgesetzes vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurden – „und es wäre wenig überraschend, wenn noch weitere Elemente aufgehoben werden“. Denn das Gesetz könne die Aufgaben, für die es geschaffen worden sei, nicht mehr lösen. Die Zahl der Mindestsicherungsbezieher habe im Jahr 2017 den Höhepunkt erreicht, dann sei es zu einem Rückgang gekommen, der erst mit Covid-19 und der jetzigen Teuerungswelle gebremst worden sei. Die meisten nicht österreichischen Staatsbürger in der Mindestsicherung oder in der Sozialhilfe hätten in Relation die Bundesländer Tirol und Vorarlberg, Wien läge sehr nahe beim Österreichschnitt von etwa 55 Prozent. Die Forderung der FPÖ, Personen mit österreichischer Staatsbürgerschaft, empfand Mörk als „irritierend und EU-rechtswidrig“.

LAbg. Wolfgang Seidl (FPÖ) entgegnete einem seiner Vorredner, LAbg. Kurt Wagner (SPÖ), die FPÖ würde entgegen der Aussagen von Wagner sehr wohl konstruktive Lösungen liefern. Seidl blickte auf das Jahr 2011 zurück, in dem 129.000 Personen Mindestsicherung bezogen hatten. Bereits 2015 seien es mehr als 180.000 gewesen, derzeit rund 125.000 Bezieher. Die Kosten seien von 300 Millionen Euro im Jahr 2011 auf nun 750 Millionen Euro gestiegen. Mehr als ein Drittel der Bezieher würden nicht nur zeitweise in der Grundsicherung verbringen, sondern Monat für Monat Mindestsicherung beziehen. Wien sei das einzige Land der Welt, das Menschen unterstütze, die einen rechtskräftigen Abschiebebescheid hätten – „das gibt es nur in Wien“. Die Wiener Regelung sei laut Volksanwalt Achatz nicht verfassungsgemäß, was den NEOS egal sei – „nach dem Motto: Hauptsache wir sind in der Regierung“. Niederösterreich sei in der Größe mit Wien vergleichbar und käme mit 60 Millionen Euro Mindestsicherung aus, während Wien in Richtung „1 Milliarde Euro geht“, so Seidl. Das Wiener Sozialsystem könne nicht die ganze Welt durchfüttern, „da läuft einiges falsch und die Tendenz geht weiter in die falsche Richtung“. Seidl brachte zwei Anträge betreffend der Übernahme des Bundesgesetzes auch in Wien sowie die Einschränkung der Mindestsicherung auf österreichische Staatsbürger ein.

Der Dringliche Antrag wurde zur weiteren Behandlung dem Stadtrat für Soziales, Gesundheit und Sport zugewiesen. Der Antrag der Grünen sowie die beiden Anträge der FPÖ fanden nicht die erforderliche Mehrheit.

Nach der Debatte zur „Dringlichen“ wurde die Tagesordnung wieder aufgenommen.

ENTWURF EINES GESETZES, MIT DEM DAS WIENER KINDERGARTENGESETZ GEÄNDERT WIRD

LAbg. Mag.a Mag.a Julia Malle (GRÜNE) meinte, das vorliegende Gesetz sei nur eine minimale, aber keine strukturelle Verbesserung in der Elementarpädagogik. Zuerst müssten sich die Rahmenbedingungen ändern, damit auch die Qualität steigen könne. Denn es sei derzeit möglich, dass Kindergartenkinder bis zu zwei Jahren von nicht ausgebildetem Personal betreut werde. „Angesichts der Personalnot wird auf diese Praxis wohl zurückgegriffen werden“, vermutete Malle und weiter: „das Gesetz wird nicht mehr qualifiziertes Personal in die Einrichtungen bringen.“ In Hinsicht auf die Qualitätssicherung sei das „zuwenig, wir wollen in diesem Bereich viel mehr“. Es würden in der Novelle nur minimale Verbesserungen vorliegen, „eine Bildungsrevolution ist das aber nicht“, sagte Malle, die einen Antrag einbrachte, die Rahmenbedingungen in der Elementarbildung nachhaltig zu verbessern.

LAbg. Harald Zierfuß (ÖVP) meinte, leider habe es viele Fälle gebraucht, damit die Stadtregierung beim Kinderschutz gehandelt habe. Erst nach massivem Druck von Betroffenen und Öffentlichkeit seien Änderungen seitens der Stadt vorgenommen worden. Zierfuß kündigte an, dass seine Fraktion der Novelle zustimmen werde, obwohl für die privaten Träger Mehrkosten entstehen würden. Auch ihm sei die Verbesserung der Rahmenbedingungen im System wichtig, deshalb solle der Fachkraft-Kinder-Schlüssel verbessert werden. Städtische Kindergärten würden angesichts der massiven Teuerung etwa im Energiesektor derzeit finanziell stärker unterstützt als private Einrichtungen. Die Valorisierung der Förderbeiträge solle vorgezogen werden, wenn für die privaten Einrichtungen im Jänner 2023 die Beträge für Personalkosten steigen werden. Zierfuß brachte entsprechende Anträge ein.

LAbg. Mag. Marcus Gremel, MBA (SPÖ) erläuterte, dass mit der Novelle des Gesetzes der Kinderschutz in den Einrichtungen noch einmal verstärkt und zu einem verpflichtenden inhaltlichen Schwerpunkt gemacht werde. „Nachgeschärft“ werde auch bei den Regelungen für „Nachsichten“, also dass Personen ohne abgeschlossene Ausbildung in den Gruppen ihren Dienst antreten können. Würden solche Nachsichten im Kindergarten auf ein Minimum reduziert werden – wie von den Grünen verlangt, würde das „in der Sekunde“ zu Schließungen von Kindergruppen in der Stadt führen. Grund dafür sei der derzeitige Mangel an Pädagoginnen und Pädagogen. Die Novelle stärke das Personal, halte aber auch die Balance zu dem, was derzeit aufgrund des Personalmangels möglich sei. Natürlich würden bessere Rahmenbedingungen in den Einrichtungen helfen, den Kinderschutz noch besser zu gestalten, doch man müsse auch anerkennen, „dass wir nicht von heute auf morgen Pädagoginnen und Pädagogen herzaubern können“, sagte Gremel. Die Verbesserung gelänge nur gemeinsam – mit Anstrengungen auf Landes- und auch Bundesebene mehr Personal in die Ausbildung zu bekommen. „Absurd“ sei auch, dass Bundesländer versuchen, sich gegenseitig Personal im Bildungssystem abspenstig zu machen. Es brauche eine gemeinsame Ausbildungsoffensive, bessere Entlohnung und einen besseren Betreuungsschlüssel in der Kinderbetreuung. Gremel kündigte an, dass es Gespräche mit den privaten Trägern bezüglich der Teuerung kommen werde.

LAbg. Mag. Ursula Berner, MA (GRÜNE) sagte mögliche Missbrauchsfälle, „eigentümliche Strafen“ oder „vermutete Übernachtungsparties in Vereinen“ hätten das Kinderschutzkonzept notwendig gemacht. Bei der Kinderbetreuung gebe es „natürlich auch körperliche Nähe“, die Schwierigkeit bestehe darin, zu erkennen, wo Grenzen überschritten werden. Dafür bräuchten die Pädagog*innen bessere Unterstützung. Tritt eine solcher Krisenfall ein, brauche es laut Berner Ruhe, psychologische Unterstützung und Hilfe für die Pädagog*innen. Das Gesetz werde in der vorliegenden Version „nicht helfen“, Berner werde demnach nicht zustimmen. Das Kinderschutz-Gesetz laste den Pädagog*innen, die ohnehin schon überlastet seien, zusätzliche Aufgaben auf. In einem Umfeld mit zu wenig erfahrenem Personal oder zu großen Gruppe „kann man nicht mit Kindern zu intimen Themen arbeiten“. Berner habe das Gefühl, Kinderschutzbeauftragte würden ähnlich wie Brandschutzbeauftragte gesehen: „einmal kurz ausbilden, und es wird schon hoffentlich nix passieren“. Kinderschutzbeauftragte hätten ein breites Aufgabenspektrum zu bewältigen, dafür brauche es Ressourcen und auch eine Finanzierung. Diese Finanzierung fehle in diesem Gesetz komplett, kritisierte Berner. Sie brachte einen Antrag zur Finanzierung von Kinderschutzbeauftragten ein.

LAbg. Stefan Berger (FPÖ) fand es traurig, dass es Anlassfälle gebraucht habe, um endlich Maßnahmen zu ergreifen. Er werde den vorliegenden Novellen jedoch zustimmen, den „jeder Schritt, der unternommen wird, ist ein richtiger“. Er erinnerte auch an Erfahrungen aus der Vergangenheit, wo Untersuchungen ähnlicher Anlassfälle ergeben hätten, dass Leitfäden und Prozesse von den Pädagoginnen und Pädagoginnen und den Organisationen zwar eingehalten worden seien, Fälle aber in der MA 10 versandet seien. Berger forderte außerdem eine personelle Aufstockung der MA 11, laut Berger stünden lediglich 15 Personen für Kontrollen in den Kindergärten zur Verfügung. Er kritisierte außerdem die Formulierung des Gesetzestextes, der durch gendern „unverständlich geworden sei“. Berger brachte außerdem eine Antrag zum Kopftuchverbot in elementaren Bildungseinrichtungen ein.

Die Anträge der Opposition fanden allesamt nicht die notwendige Mehrheit. Die Novelle des Wiener Kindergartengesetz wurde beschlossen.

Die 17. Sitzung des Wiener Landtages endete um 18:19 Uhr.

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